Platte Buch

Picture Brides

Fukushima ist in den zwanziger Jahren eine Seidenweberstadt. Von hier bricht eine junge Frau, wie es in dieser Zeit viele in Japan tun, in die USA auf, um dort ihren zukünftigen Ehemann zu treffen, mit dem sie bisher lediglich Fotos ausgestauscht hat.
Picture Brides werden die Japanerinnen in der Geschichtsforschung genannt, die Anfang des vorigen Jahrhunderts zu Tausenden an die Westküste und nach Hawaii emigrierten und oft schon bei der ersten Begegnung am Pier tief enttäuscht waren, wenn sich herausstellte, dass der in die Jahre gekommene Ehemann nicht mehr viel mit dem netten Jungen vom Foto aus Jugendtagen gemein hatte. Die Heiratskandidaten sind japanische Männer, die zuvor selbst als Arbeitsmigranten in die USA gekommen und auf dem amerikanischen Heiratsmarkt praktisch chancenlos sind.
Mit ihrem Roman »Wovon wir träumten« hat die in New York lebende Autorin Julie Otsuka den japanischen Migrantinnen der ersten Generation eine unverwechselbare Stimme gegeben. Es gibt keine Protagonisten, keine Handlung. Das Besondere an der Erzählung ist die Wir-Form, mit der Otsuko die Einzelschicksale der vielen zu einer Chronik der Picture Brides verknüpft, die davon handelt, wie die Frauen versuchen, dem fremden Ehemann zu gefallen, wie sie ausgegrenzt werden, wie sie Kinder großziehen, die später ihre Herkunft verleugnen, und wie sie nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor zu Feinden erklärt werden.

Julie Otsuka: Wovon wir träumten. Aus dem Amerikanischen von Katja Scholz. Mare-Verlag, Hamburg 2012, 116 Seiten, 18 Euro