Kommentiert die Statistikfälschung der Bundesagentur für Arbeit

Die perfekte ­Statistik

Ein Prüfbericht des Bundesrechnungshofs gelangt zu dem Ergebnis, dass die Bundesagentur für Arbeit ihre Vermittlungsstatistik manipuliert hat.

»Die perfekte Bewerberin: Eine, die auch nach 100 Absagen nicht aufgibt.« Mit diesem Plakat der Kampagne »Ich bin gut« (Jungle World 43/2012) begrüßt die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Kundschaft in den Wartezonen ihrer Jobcenter. Erwerbslose, die sich dadurch nicht wirklich motiviert fühlen, dürfen sich nun bestätigt sehen, denn offenbar sehen die Mitarbeiter der BA das ähnlich.
Das geht aus einem seit Monaten unter Verschluss gehaltenen Prüfbericht des Bundesrechnungshofs hervor, über den der Spiegel vergangene Woche berichtete. Der Rechnungshof hatte drei Monate lang die Arbeit von sieben der insgesamt 156 Arbeitsagenturen sowie sieben Regionaldirektionen untersucht und dabei festgestellt, dass diese in allen Fällen ihre Vermittlungsstatistiken schönten. Um die Vorgaben der BA zu erfüllen, konzentrierten sie sich auf leicht zu vermittelnde Arbeitssuchende; unter anderem seien auch Azubis, die ohnehin vom Betrieb übernommen wurden, als erfolgreiche Vermittlungen gezählt worden. Weniger erfolgversprechende Fälle hingegen würden deutlich weniger intensiv »betreut«: Im Prüfzeitraum sei für mehr als die Hälfte der Langzeitarbeitslosen kein Stellensuchlauf durchgeführt und zu 45 Prozent von ihnen kein »ernst zu nehmender Kontakt« aufgenommen worden.
Ob die derart Vernachlässigten darüber allzu traurig sind, darf bezweifelt werden. Wenn die Arge oder das Jobcenter Kontakt sucht, bedeutet dies selten etwas Gutes: sei es, im besten Fall, die Auflage, sich um Stellen zu bewerben, für die man in den meisten Fällen ohnehin nicht qualifiziert ist, oder ein sinnloses Bewerbungstraining oder aber ein Ein-Euro-Jobangebot, das man nicht ablehnen kann.
Die Rüge des Bundesrechnungshofs wird wohl zur Folge haben, dass die Jobcenter den Langzeitarbeitslosen künftig noch mehr Schikanen auferlegen werden – obwohl alle Beteiligten wissen dürften, dass auch das den wenigsten zu einem Ausbeutungsverhältnis verhelfen wird. Es gibt nun einmal Menschen, die nicht den Verwertungsanforderungen entsprechen und somit für den Kapitalismus schlicht überflüssig sind. Das offen zuzugeben, kommt in einer Gesellschaft, die ein erfülltes Leben mit Berufstätigkeit gleichsetzt, aber nicht in Frage. Ebenso wenig wie das Eingeständnis, dass das Ziel der »Agenda 2010« nicht darin bestand, den Überflüssigen einen – fragwürdigen – Existenzzweck zu verschaffen, sondern darin, den Druck auf die Verwertbaren zu erhöhen, jeden Drecksjob anzunehmen.
Wie gut die Stigmatisierung der Arbeitslosigkeit gelungen ist, zeigt eine soeben veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: Demnach gibt es in Deutschland drei bis fünf Millionen Menschen, die aus Scham darauf verzichten, mit Hartz-IV-Leistungen aufzustocken, obwohl sie einen Anspruch darauf hätten. Sie tauchen also auch nicht in den Arbeitslosenzahlen auf, die der BA-Chef und die Arbeitsministerin immer so frohgemut verkünden. Denen, die mitgezählt werden, bleibt weiterhin nur, dem Jobcenter jeden Monat ihre Liste erfolgloser Bewerbungen zu präsentieren und sich von zynischen Plakatparolen verhöhnen zu lassen.