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Eigentlich beginnt in diesen Tagen die unter Journalistinnen und Journalisten gefürchtete Zeit, die in Großbritannien silly season genannt wird. In Deutschland, wo ganzjährig silly season ist, spricht man vom Sommerloch. Doch es herrscht kein Mangel an spannenden Themen, mehr noch, es gibt eine aufregende riot season. Zum Aufstand der Woche wurde in dieser Ausgabe die brasilianische Protestbewegung, aber auch der Rebellion in Ägypten haben wir zwei Seiten gewidmet. Würden unsere Wirtschaftsexperten Anlagetipps geben, könnte einer lauten: Investieren Sie in Unternehmen, die Tränengas herstellen, denn die brasilianische Polizei hat wegen des hohen Verbrauchs gerade nachbestellen müssen, andere Kunden dürften folgen. Ökonomisch wäre das ein interessantes Konzept, denn man kann als Investor die Nachfrage selbst fördern. Krawalltourismus ist ja gerade wieder en vogue. Sollte man in dieses Geschäft einsteigen? »Freitag auf dem Tahrir-Platz – ein unvergessliches Erlebnis. Für einen geringen Aufpreis können Sie auf die Betonblöcke vor dem nahe gelegenen Parlament klettern und die Laserpointer der Scharfschützen auf ihrem T-Shirt tänzeln sehen. Lassen Sie den Abend bei einem Dutzend Bier in der ›Horreya‹-Bar ausklingen. Brandheißer Tipp: Buchen Sie auch den nächtlichen Extraausflug zu einem Büro der Muslimbruderschaft! Keine Haftung für Sach- und Körperschäden.«
Wenn diese Aufstände nur nicht so verdammt unberechenbar wären. Man weiß nie so recht, wann sie anfangen und wann sie wieder aufhören, und selten wird Rücksicht auf unseren Redaktionsschluss genommen. Deshalb möchten wir an dieser Stelle an die Rebellen in aller Welt appellieren: Stürzen Sie Ihre Regierung nicht an einem Dienstag! Und gleich noch ein Appell: Es ist höchste Zeit für einen Maskenwechsel! Dieser Guy Fawkes war nämlich gar kein cooler Typ, sondern ein katholischer Fundi, und außerdem nervt das blöde Grinsen auf Dauer wirklich. Sollte wieder mal keiner auf uns hören, werden wir uns geeignete Gegenmaßnahmen überlegen. Wir könnten zum Beispiel Ihren Riot einfach ignorieren. Doch, doch, das könnten wir, wir befassen uns nämlich auch gerne mal mit einem Thema, das nicht von tagespolitischer Aktualität ist. Oder es in frühestens 35 Jahren sein wird, wenn eine Antwort auf die an Aliens auf Gliese 526 geschickten Botschaften, über deren Sinn auf der Disko-Seite debattiert wird, eintreffen könnte. Und natürlich interessieren uns zeitlose Themen wie Liebe und Gesundheit, über die Andreas Michalke in der 200. Folge von Berlin Beatet Bestes schreibt. Die Redaktion gratuliert und ist erleichtert, dass er in einer Gegend Urlaub macht, in der ihn wohl keine Tränengasgranate außer Gefecht setzen wird.