Berlin Beatet Bestes. Folge 201

Das Ding mit der Hochzeit

Berlin Beatet Bestes. Folge 201. Sister Rosetta Tharpe: Wedding Ceremony (1951).

Wollt ihr denn nicht auch heiraten?« Früher wurde mir diese Frage häufiger gestellt. Viele unserer Freunde waren in einem Alter, in dem sie das Thema interessant fanden. Dann heirateten sie, bekamen ihr Kind, trennten sich nach einem Jahr und seitdem nerven uns glücklicherweise immer weniger Leute. Meine Freundin und ich sind seit 16 Jahren glücklich, ohne verheiratet zu sein. Ich glaube fast, wir sind so glücklich, weil wir es nicht sind. Dabei hätte ich meine Freundin jederzeit geheiratet, wenn sie es denn gewünscht hätte. Aber der Gedanke, zu heiraten, stößt sie noch mehr ab als mich. Die romantische Vorstellung, als Prinzessin in Weiß am Trau­altar zu stehen, hatte sie nie. Die Prinzessin ist wahrscheinlich der dümmste, ­regressivste Frauentypus, den es gibt. Warum heiraten die Leute? Frauen wollen sich und ihr Kind finanziell absichern. Aber warum heiraten Männer? Mykel Board, Kolumnist von Maximum Rock’n’Roll, behauptete einmal frech, wegen der »Pussy Insurance«, der Garantie auf regelmäßigen Sex. Aber was ist mit der Liebe? Schließlich schwören die Eheleute vor dem Pastor, dem Staat, den Freunden und der versammelten, missratenen Verwandtschaft feierlich, sich lebenslang zu lieben. Nach der Trauung feiert man zusammen eine schlechte Party. Die zahllosen Hochzeiten, auf denen wir eingeladen waren, waren ausnahmslos keine guten Partys. Also, gemessen auf der normalen Partyskala von dröger Sitzparty bis voll durchgeknalltem Drogenexzess. Mit langweiligen Tanten und Onkeln lassen sich keine coolen Partys feiern. Dennoch behaupten die Ehepaare später immer, dass ihre Hochzeit eine supertolle Party gewesen sei. Und wenig später folgt die Trennung.
Es bringt allerdings auch Nachteile mit sich, nicht verheiratet zu sein. Kürzlich wurde die Gleichstellung eingetragener homosexueller Beziehungen mit verheirateten heterosexuellen Paaren verkündet. Meine Freundin und ich sind damit rechtlich schlechter gestellt als diese Paare. Wir können uns nicht eintragen lassen und wären gezwungen, zu heiraten. Wir werden behandelt wie Ehepaare, wenn es darum ginge, dass ich Hartz IV beantragen müsste, schließlich verdiene ich nicht viel mit dieser Kolumne. Denn dann würden wir angeblich eine Bedarfsgemeinschaft darstellen. Andererseits bleibt meiner Freundin der Vorzug der günstigen Steuerklasse verwehrt, obwohl sie mich mitfinanziert. Das ist ungerecht.
Trotzdem haben wir gestern geheiratet. In der Wedding Chapel von Herräng, dem schwedischen Swing-Tanz-Camp, wurden wir von einem Typen im Elvis-Kostüm getraut. Wir trugen beide Brautkleider, die ich in einem Berliner Second-Hand-Laden gekauft habe. Okay, es war nur eine Quatschhochzeit, sie ist nicht rechtskräftig und eine Party hatten wir auch nicht. Aber gestern fühlte ich mich doch richtig verheiratet. Eine bessere Hochzeit werden wir wahrscheinlich nicht mehr erleben.
Die Gospel-Pionierin Sister Rosetta Tharpe heiratete 1951 vor 25 000 zahlenden Zuschauern. Und veröffentlichte sogar Platten mit den besten Songs des Abends.

Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com/) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.