Der nationale Einmischer

So einfach wird man ihn nicht los. Da sitzt er schon seit Jahren in Brüssel, weit weg vom beschaulichen Stuttgart, doch für unkorrekte Kommentare ist er immer noch zu haben. So kennt man ihn ja auch, den Günther Oettinger. Sein jüngster Empörung auslösender Vorschlag gehört aber noch zu den harmloseren Ergüssen des ehemaligen Ministerpräsidenten
Baden-Württembergs – und er lag diesmal vielleicht auch gar nicht so falsch. Echauffiert haben sie sich trotzdem, seine süddeutschen Heimatverteidigerkollegen, als er vorige Woche im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung andeutete, dass ein Endlager für Atommüll wegen der geologischen Gegebenheiten doch gut nach Süddeutschland passen könnte. Das will man aber nicht hören. Nachdem der Bundesrat am Freitag vergangener Woche nun auch dem Endlagersuchgesetz zugestimmt hatte, soll ganz »transparent und rational« nach einem Standort gesucht werden. »Wenn jeder erzählt, was ihm so einfällt«, werde es schwierig mit der Suche, kritisierte Oettingers Nachfolger, Winfried Kretschmann, dessen Vorschlag. »Wo sie nicht zuständig sind, darüber reden sie gerne«, beschwerte sich auch Horst Seehofer. Der EU-Kommissar für Energie solle sich nicht »in das nationale Anliegen einmischen«.
Dieses liegt Oettinger aber besonders am Herzen. Während seines Jurastudiums war er Mitglied der Landsmannschaft Ulmia, einer schlagenden Studentenverbindung. Auch im rechten Studienzentrum Weikersheim machte er mit. Im Jahr 2000 sang er bei einer Feier der Ulmia alle drei Strophen des Deutschlandlieds. Etwas über die Stränge schlug er auch 2007 in seiner Trauerrede für den verstorbenen NS-Juristen Hans Filbinger. Der sei »kein Nationalsozialist«, sondern ein »NS-Gegner« gewesen, behauptete der damalige Landesvorsitzende der baden-württembergischen CDU. Dafür erntete er zwar Kritik, aber seiner Karriere geschadet hat es nicht, seit 2010 ist er Energiekommissar der EU. Um den Standort Deutschland sorgt er sich weiterhin. Die beiden deutschen Energiekonzerne Eon und RWE könnten doch fusionieren, zum Wohle des globalen Wettbewerbs, schlug er 2011 vor. Im interesse Volkswagen AG setzte er sich 2012 für »vertretbare« CO2-Grenzwerte ein. Ohne »Fracking«, die Förderung von Schiefergas, würde Deutschland abgehängt, warnte er vor kurzem. Er tut eben, was er kann. Und immerhin steht er zum strahlenden Müll seiner geliebten Atomkraft.