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Es gibt hier eine Regel, die besagt, dass die Bücher unserer Autoren und Autorinnen nicht im Feuilleton rezensiert werden dürfen. Damit sollen Vetternwirtschaft, Korruption und Bestechungsskandale unterbunden, Lagerkämpfe zwischen rivalisierenden Autorengruppen und Gefälligkeitsrezensionen vermieden werden.
Manchmal gehen uns durch das Antikorruptionsgesetz ein paar wirkliche interessante Bücher durch die Lappen; aber manchmal ist man im Feuilleton auch schon mal froh, dass diese Regelung existiert. Da gab es zum Beispiel mal eine Autorin, die kluge politische Kommentare für uns schrieb, in ihrer Freizeit dann aber auch einen großen historischen Frauenroman verfasst hatte, den sie nun gern im Feuilleton dieser Zeitung rezensiert wissen wollte. Wie praktisch, dass man in diesem kniffligen Fall sagen konnte: »Nein, tut uns leid, die strengen Antikorruptionsrichtlinien der Jungle World erlauben uns keine Besprechung deines großen historischen Frauenromans.«
Um einen großen und sogar großartigen historischen Frauenroman handelt es sich bei dem druckfrischen Buch mit dem Titel »Die Mütter vom Kollwitzplatz«, das vorige Woche im Postfach des Feuilletons landete und nach den Dschungel-Gesetzen zur Vorbeugung von Korruption und illegalen Absprachen ungelesen und unbesprochen ins Regal hätte wandern sollen. Schließlich ist das Buch im eleganten Panoramaformat von OL, und OL ist der Mann, dessen gezeichnete Ansichten des schnoddrigen Berliner Lebens, wie es sich an Currywurstbuden, beim Neurologen um die Ecke und im Bio-Supermarkt abspielt, regelmäßig in der Jungle World erscheinen. OL ist mithin ein klassischer Fall für die Anwendung des Antikorruptionsgesetzes. Und deshalb gibt es leider keine Besprechung des bei Lappan erschienenen und mit einem Vorwort von Annett Gröschner versehenen Buches. Es gibt darin grobe Missverständnisse (»Bist du von der Schwangeren-Yoga-Kursgruppe?«- »Nee, ich bin einfach fett und hab’ nen Hexenschuss«), schmutzigen Sex (»Das sind die Frühlingsgefühle, sag ich zu ihm, aber in Wirklichkeit hab’ ich seine Hose zu heiß gewaschen«) und hochfliegende Pläne (»Erst mal heiraten, zwei Kinder und wenn alles läuft, geh ich mit der Familie in drei Jahren an die Börse«). Falls man das Buch hätte rezensieren dürfen, hätte man geschrieben, dass »Die Mütter vom Kollwitzplatz« wie Gender Studies auf Berlinisch und ganz toll ist!