Der Staatsbesuch des französischen Präsidenten in Tunesien

Zu Gast bei Geschäftspartnern

Bei seinem ersten Staatsbesuch in Tunesien setzte sich der französische Präsident vor allem für Wirtschaftskooperation ein. Aus den innenpolitischen Konflikten will er sich heraushalten.

Angewandte Geographie ist nicht leicht. Diesen Eindruck erweckte jedenfalls Frankreichs Präsident François Hollande, der beim Staatsbesuch in Tunis am Donnerstag vergangener Woche einen Moment lang Tunesien mit Ägypten verwechselte. Dann korrigierte er seinen Versprecher aber doch noch, anders als einen Monat zuvor, als er in Tokio »das chinesische Volk« mit dem japanischen verwechselt hatte.
Die Ereignisse in Ägypten kamen Hollande bei seinem Staatsbesuch in Tunesien, dem ersten eines französischen Präsidenten seit 2008, tatsächlich etwas ungelegen. War die öffentliche Aufmerksamkeit, in Frankreich ebenso wie in Tunesien, am Donnerstag und Freitag vergangener Woche doch weitaus mehr auf Kairo und Alexandria als auf Tunis gerichtet.

Seit in Ägypten mindestens drei Gruppen mit unterschiedlichen Interessen um die Macht ringen – die Massenbewegung, die Armeeführung und die Muslimbrüder –, hat sich auch in Tunesien der Konflikt zugespitzt. Die linke »Volksfront« forderte unter dem Eindruck der Ereignisse in Ägypten den Rücktritt der tunesischen Regierung und die Auflösung der verfassunggebenden Versammlung. Die erheblich weiter rechts stehende, säkulare Oppositionspartei Nidaa Tounès, die neben bürgerlichen Kräften auch solche des alten Regimes umfasst, erhob dieselbe Forderung. Die »konstituierende Versammlung« war im Oktober 2011 aus freien Wahlen hervorgegangen, damals allerdings offiziell nur mit einem einjährigen Mandat ausgestattet worden, um eine neue Verfassung zu erarbeiten. Diese wird seit dem 1. Juli in der Versammlung debattiert, säkulare Oppositionelle beklagen jedoch schwere Mängel am Verfassungsentwurf, da er autoritäre Interpretationen zumindest zulässt.
Mouldi Riahi, der Fraktionsvorsitzende der zusammen mit der islamistischen Partei al-Nahda regierenden sozialdemokratischen Partei Ettakatol, erwiderte, die geforderte Auflösung »könnte einen Bürgerkrieg in Tunesien« auslösen. Die al-Nahda nahe stehenden »Ligen zum Schutz der Revolution« forderten »die Auflösung aller Parteien, die gegen die legitime Führung komplottieren«. Al-Nahda ihrerseits rief zu einer Kundgebung für den abgesetzten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi auf, doch nur 100 Menschen kamen am Sonntag.

Hollande versuchte, sich aus den innenpolitischen Konflikten in Tunesien herauszuhalten und es allen recht zu machen. Angesichts der offenen Machtkämpfe in Ägypten sagte er den tunesischen Politikern mehrmals: »Sie sind zum Erfolg verdammt«, und: »Ihr Erfolg ist für die ganze Region von Bedeutung.« Aber er präzisierte auch, seine Unterstützung gelte »nicht den Regierenden von heute oder von morgen«, sondern »dem Transitionsprozess« an sich. Er hielt sich sowohl bei den säkularen als auch den islamistischen Parteien alle Türen offen. Der konservativen französischen Tageszeitung Figaro zufolge, die eine ungenannte Quelle im Elysée-Palast zitiert, sei man dort »überzeugt, dass al-Nahda auch weiterhin eine zentrale Rolle in der tunesischen Politik spielen wird, selbst wenn die Partei geschwächt wird«.
Konkret wurde Hollande vor allem bei Wirtschaftsfragen. Frankreich hat in Tunesien seit dem Sturz Ben Alis rund 30 Prozent seiner Marktanteile eingebüßt – die damalige französische Regierung hatte 2011 bis zuletzt am alten Regime festgehalten –, während deutsche und britische Unternehmen hinzugewinnen konnten. Deutschland investiert seit Ende 2012 in die Solarenergie. Allerdings bleibt Frankreich vor Italien der wichtigste Handelspartner Tunesiens. Hollandes Delegation bestand aus fünf Abgeordneten, zehn Ministern und 50 Geschäftsleuten. Am letzten Abend seines Staatsbesuchs fand – »als krönender Abschluss«, so die tunesische Internetzeitung Kapitalis – eine gemeinsame Sitzung der beiden Unternehmerverbände, des französischen Medef und der tunesischen Utica, statt. An ihr nahmen Hollande und sein tunesischer Amtskollege Moncef Marzouki teil. Wirtschaftsförderung ist offensichtlich alles. Frankreich wird nun verstärkt in erneuerbare Energien, Häfen, eine Bahnlinie und die Ausbildung von Führungskräften im öffentlichen Dienst investieren.