Rassistische Hetze gegen ein Flüchtlingsheim in Berlin

Menschen wie dir und icke

Im Berliner Stadtteil Hellersdorf soll ein Flüchtlingsheim entstehen. Doch es gibt ein Problem: die Hellersdorfer.

Dass die NPD versucht, die Anwohnerproteste gegen ein Flüchtlingsheim, das im Berliner Stadtteil Hellersdorf entstehen soll, für ihre Zwecke zu nutzen, war bald offensichtlich. Denn die »Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf« hat eine E-Mail-Adresse, die zu einem bekannten rechten Server gehört. Zudem betätigte sich mit Thomas Crull ein nach eigenem Bekunden ehemaliges Mitglied der NPD in der Initiative. Auf einer öffentlichen Bürgerversammlung, bei der sich Bezirkspolitiker den Fragen der Anwohner stellten, meldeten sich unter anderem Sebastian Schmidtke, Landesvorsitzender der Berliner NPD, und seine Lebensgefährtin Maria Fank, Landesvorsitzende des Rings Nationaler Frauen, zu Wort.

Doch um Rassismus und Ressentiments zu äußern, brauchten die erschienenen Hellersdorfer an diesem Tag gar nicht die Hilfe der NPD. Ihr »Nein zum Heim«, so der Slogan der Bürgerinitiative, wurde überaus deutlich. Für Flüchtlinge sei Geld da, empörte sich eine Anwohnerin, um dann aufzuzählen, was im Bezirk alles fehle. Doch eigentlich ging es nicht um die Finanzen, sondern darum, dass man »die Ausländer« in Hellersdorf nicht haben will. Deswegen kam die Sprache auch immer wieder auf den Kindergarten, der in der Nähe des geplanten Flüchtlingsheims liegt. Wer denn die Kleinen schütze, wurde häufig gefragt. Warum syrische Asylbewerber eine derart große Gefahr für den Kindergarten darstellen sollen, mussten die Hellersdorfer Bürger nicht erklären. Hin und wieder meldete sich zudem jemand zu Wort mit dem Hinweis, dass auch ein Altersheim in der Nähe sei.
Ebenfalls ganz wichtig: die Autos. Diese seien nämlich hochgefährdet wegen der Flüchtlinge. Das passt zwar nicht zur vielfach geäußerten Behauptung: »Die fahren schon nach ein paar Tagen in Deutschland Luxusautos, von unserer Sozialhilfe.« Aber Logik und Fakten waren in der Debatte unerwünscht. Das bekam auch der Polizist zu spüren, der sich als Abschnittsleiter vorstellte und versuchte, die geäußerten Vorurteile mit Hilfe der Kriminalitätsstatistik zu entkräften. In der Umgebung von Flüchtlingsheimen sei nirgendwo ein Anstieg krimineller Handlungen feststellbar, sagte der Mann. Aber schnell wurde klar, dass die anwesenden Hellersdorfer sich das, was sie über »die Ausländer« denken, keineswegs von Tatsachen kaputtmachen lassen ­wollen.
Ob die Hellersdorfer wirklich annahmen, dass ihre Aussagen bei der Presse auf Wohlwollen treffen würden? Auf der Facebook-Seite der Bürgerinitiative zeigt man sich jedenfalls mehrheitlich empört darüber, »in die Naziecke gestellt« worden zu sein. Dabei versuchen, nachdem die RBB-Abendschau die Vorgänge einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht hat, viele Facebook-User, mit den Gegnern des Heims zu diskutieren. Das ist schwierig. »Sind die auch menschlich zu uns, wenn sie uns z. B. ausrauben, wenn wir stolz auf unser Land sind, wenn die auf uns oder unser Land spucken, ist das menschlich?« heißt es beispielsweise als Antwort auf die Forderung nach Verständnis für die Flüchtlinge.
Ohnehin sehen sich die Unterstützer der Bürgerinitiative als die verfolgte Unschuld. »Sobald man nur ein einziges negatives Wort über Ausländer sagt, werden wir gleich alle als Nazis beschimpft. Was haben wir noch mit der Zeit zu tun, wo ­unsere Großeltern gelebt hatten? Zumal die auch nichts dafür konnten«, schreibt beispielsweise eine Frau. Andere rufen zu Geschlossenheit auf: »Was ist nur los, darf man keine Meinung mehr äußern? Es ist so schlimm geworden und wir Deutschen müssen alles schlucken. Wir müssen endlich aufstehen und uns nicht alles gefallen lassen!« Einige Kommentare auf Facebook, in denen dazu aufgerufen wurde, ein »zweites Rostock zu veranstalten«, wurden mittlerweile gelöscht. Ähnliche Ankündigungen finden sich jedoch auf der Seite immer noch: »Leute, ihr könnt euch sicher sein, dass, wenn es so weiter geht, genau das gleiche wie in Rostock damals passieren wird.« Ein weiterer Kommentar lautet: »Ich gebe dem Heim nicht mal ein Jahr. Sollte man klugerweise mit rechnen, wenn man den Menschen dieses Heim hinterrücks aufzwingt!« Dabei wird der Facebook-Auftritt der Bürgerinitiative nicht nur von NPD-Anhängern zur Wahlwerbung genutzt. Ein Hellersdorfer schreibt, er finde »den Ansatz mit diesem Liquid-Feedback der Piratenpartei nicht verkehrt, so was sollte öfter eingesetzt werden, wird aber nie passieren, denn kein ­Politiker wird sich vom doofen Volk an die Karre p****n lassen«. Als Elektriker habe er im übrigen viele »Migrantenwohnungen gesehen und saniert und war des öfteren zutiefst angewidert, was dort vor sich geht«. Eine Frau wird noch deutlicher. »Ich hab schon seit Jahren in Marzahn-West mit den Ratten zu kämpfen. Verschmutzen alles, lernen kein Deutsch und gehen nicht arbeiten – aber können sich dicke BMWs leisten«, schreibt sie auf den Einwand einer anderen Kommentatorin, dass ihr die Flüchtlinge angesichts des Hasses leid täten.

In einer Presseerklärung wollte die Bürgerinitiative vor einigen Tagen dem Eindruck entgegenwirken, sie betreibe rassistische Hetze. In dem Schreiben geht es unter anderem um Hygienevorstellungen von Deutschen und Flüchtlingen. So heißt es: »Sicherlich, sie sind Menschen wie wir. Dennoch unterscheiden wir uns gleichzeitig in der Kultur und in unseren Lebensweisen. Während für uns die ›westlichen‹ Toiletten und ihre Nutzung ganz alltäglich sind, gibt es sehr viele Menschen in Syrien, die damit nichts anzufangen wissen. Da Wasser für sie zum Teil ein kostbares Gut ist, können sie nicht nachvollziehen, wieso wir einmal am Tag duschen.«
Ende Juli sollen die ersten Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak in die ehemalige Schule einziehen. Angesichts der Nachbarn dürften die Toiletten und Duschen ihre geringste Sorge sein.