Wir Journaille

Wer meinen Sohn fragt, was er denn mal werden wolle, bekommt seit langem die Antwort: Journalist. Als fürsorglicher Vater mit etwas Insider-Wissen über diese Branche habe ich ihn schon mehrfach eindringlich vor diesem Beruf gewarnt. Viel Stress bei bestenfalls mäßiger Bezahlung, keine geregelten Arbeitszeiten, und angesichts der wirtschaftlichen Lage ist der Job obendrein alles andere als sicher.
Vor ein paar Tagen hat mir Transparency International noch ein weiteres Argument an die Hand gegeben. Denn die Organisation hat mittels einer Befragung herausgefunden, dass mehr als die Hälfte der Bundesbürger die Medien für korrupt hält. Selbst die schlecht beleumundete öffentliche Verwaltung und das oft gescholtene Parlament genießen höheres Ansehen. Dass Parteien und Privatwirtschaft noch hinter den Medien rangieren, ist auch kein Trost. Also, lieber Sohn, Hände weg von diesem Beruf!
Fraglich ist allerdings, ob sich das mit der Korruption plausibel erklären lässt. Denn für bestechlich halte ich mich nun wirklich nicht. Mir ist auch bislang kein Kollege begegnet, über den man die Nase rümpfen müsste, weil er willfährig Geschenke annimmt und dementsprechend geschönte Texte verfasst. Okay, bei offenkundig kritiklosen Berichten über neue Autos oder Luxushotels vermisse ich zuweilen schon journalistische Unabhängigkeit. Aber mehr und mehr legen die Medienhäuser wert auf Transparenz, weisen zum Beispiel am Ende eines Textes daraufhin, wer die Fahrt mit Auto X oder die Reise nach Y ermöglicht hat. Sogar wenn seriöse Institutionen wie Ministerien oder die Europäische Union Journalisten zu Info-Touren einladen, wird dies häufiger als früher kenntlich gemacht. Eine Bringschuld, keine Frage. Denn der Mediennutzer muss wissen, auf welche Quellen der Medienmacher zurückgreift. Nur so schafft man Vertrauen.
Genau darum geht es wohl bei der Umfrage von Transparency International. Denn dass Medien hierzulande als korrupt gelten, heißt vermutlich im Klartext: Die Menschen sprechen den Journalisten und ihren Arbeitgebern zu oft die Glaubwürdigkeit ab, sehen Interessenskonflikte. Es geht dabei weniger um von Anzeigenkunden »gekaufte« Artikel als vielmehr generell um mangelnde Distanz, Unabhängigkeit und Integrität. Die Menschen vermissen offenbar kritische Berichterstattung, das Aufdecken von Betrug jedweder Art. Das sollte uns Medienleuten zu denken geben. Es gibt zwar weder Anlass noch Grund, in Sack und Asche zu gehen. Aber gerade in Zeiten des schnelllebigen und von Gerüchten gesättigten Internet gilt es, journalistisch sauber zu arbeiten. Wer das tut, dem wird niemand Korruption vorhalten können. Schämen müssen sich dann die anderen.