Kunst und Präsentation I

All die tollen Konzerte, Lesungen und Partys. Ein Programm mit Charakter, ein Laden mit Esprit und politischem Anspruch. Und dann noch die Treppen und Geländer – im Inneren des massiven Gebäudes knarzte es immer so herrlich. Kaum zu fassen, dass damit Schluss sein soll. In der Nacht zum 21. Juli ist der Festsaal Kreuzberg ausgebrannt. Dicke Rauchwolken zogen durch den Stadtteil, 300 Feuerwehrleute waren im Einsatz. »Mit bleischwerem Herzen« melden die Betreiber auf ihrer Website, komme das Programm an diesem Ort »erstmal« zum Erliegen. Was das bedeuten mag, wird sich zeigen. Der Festsaal Kreuzberg war in den neun Jahren seines Bestehens als Veranstaltungsort zu einem zentralen Anlaufpunkt im Kiez geworden und prägte die Gegend um das Kottbusser Tor maßgeblich. Auch die Jungle World war dem Festsaal Kreuzberg verbunden, kam gern zu Besuch und organisierte hier Partys, Konzerte und Veranstaltungen. Wie viel Hoffnung für den Laden besteht, war bei Redaktionsschluss unklar. Wir wünschen das Beste.   oko
Kunst und Präsentation II
Ein Künstler steht vor Gericht. Weil er gemacht hat, was man als Künstler macht: Kunst. Jonathan Meese, mittlerweile nicht mehr ganz junger deutscher Großkünstler, hat wieder mal provoziert. Im Vorfeld der letztjährigen Documenta lud ihn der Spiegel zu einer Diskussionsrunde mit dem Titel »Größenwahn in der Kunstwelt« ein. Während der Veranstaltung hob Meese zweimal den Arm zum Hitlergruß. »Meese macht Hitlergruß nur im Schutzraum der Kunst«, sagte er dem Kasseler Gericht über sich selbst. Und weiter: »Ich würde doch nicht in einem Restaurant einen Hitlergruß zeigen, ich bin doch nicht bescheuert.« Meese betont, was eigentlich selbstverständlich ist: Die Unterscheidung zwischen Privatperson und Künstler. Ein Urteil konnte noch nicht gefällt werden. Die Verteidigung stellte einen Befangenheitsantrag, ein Richter gab bei der Begrüßung den Anwälten die Hand, verweigerte dem Angeklagten jedoch den Handschlag. Es ist eine Farce, die Licht auf den Stellenwert künstlerischer Freiheit wirft.   oko
Kunst und Präsentation III
Oh nein, Adam Green hat ein neues Album gemacht und ist auf dem Cover des amerikanischen Rolling Stone gelandet. Aber Moment, ist er das überhaupt? Oder nur ein weiterer talentfreier Schönling mit zerwuschelten Haaren, der eine Gitarre halten kann? Ach nein, zum Glück nicht. Es ist nur der mutmaßliche Boston-Attentäter Dschochar Zarnajew. Der Wahnsinnige, der am 15. April 2013 vier Menschen getötet und mehr als 260 verletzt hat. Man kennt diesen Typen aus den Medien. Nur der Rolling Stone darf ihn nicht zeigen. Eine Debatte ist entbrannt, Kritiker schreien: Glorifizierung! Dabei hat die Zeitschrift The Guardian zufolge doch die schlüssigste aller Erklärungen beigelegt: »Die Tatsache, dass Dschochar Zarnajew jung ist und der gleichen Altersgruppe angehört wie viele unserer Leser, macht es für uns umso wichtiger, die Komplexität dieses Falls zu untersuchen...« Mit anderen Worten: Liebe Leser, der Killer mit dem Kuschelblick verkauft sich einfach wie bescheuert. Bitte habt Verständnis, wir können nicht anders.   oko
Kunst und Präsentation IV
Das Jibaozhai Museum in Hebei bei Beijing ist eine große Einrichtung, bis vor kurzem gab es hier ungefähr 40 000 Exponate zu bestaunen. Nun muss der Laden dichtmachen. Nur weil es sich bei den meisten Ausstellungsstücken um Fälschungen handelt. Von Museumsseite heißt es, man sei »quite positive« gestimmt, da mindestens 80 der 40 000 Objekte als authentisch bestätigt wurden. Dann ist ja alles gut! Man sollte das Museum in ein Museum stecken und es ausstellen.   oko