Talmi

Ethik im Glas

Aus allen Löchern blubbert sie uns entgegen, die schwarze Milch der Frühverblühten: Cola. Bionade macht eine, Redbull macht eine und Club-Mate auch; Afri-Cola kann man ebenso wieder trinken wie Fritz-Cola; es gibt Mekka-Cola für Muslime und Mecker-Cola für Ziegenhirten, und je mehr man davon trinkt, umso angeregter lässt sich drüber streiten, welche denn nun noch besser in eine Kohlenhydrate­diät passt und noch sorgfältiger aus mit dem Mund gepflückten Colafrüchten gepresst wurde. Jahrzehntelang hatte man uns eingebläut, dass Cola im Grunde des Teufels Tafelwein sei, das in Flaschen abgefüllte Lebensblut der Dritten Welt, und nun gurgeln’s die Gralshüter des guten Konsumgewissens grad hektoliterweise in sich hinein. Die Allerschamlosesten von ihnen verkaufen das dann als subversiv und Gegenkultur, und dümmer noch sind die Leute, die tatsächlich glauben, sie könnten mit ihrem Limonadengesüffel Druck auf den Weltkonzern Coca-Cola ausüben, und wohl auch ein umgedrehtes Basecap für anarchistisch halten. Eine Marke der anderen vorzuziehen, ist keine Konsumkritik, sondern einfach rein gelebter Kapitalismus; und wer das Originalprodukt durch eine »ethischere« Alternative ersetzt, hält genau dadurch das Bedürfnis nach dem Original lebendig; ähnlich wie die abscheulichen Soja-Skulpturen, die Bratwürste und Leberkäse nachahmen sollen, letztlich nichts weiter sind als Werbung für den Kadaver. Indes tritt der Konzern auch wieder an den Konsumenten heran. Eine Zeitlang konnten Freunde mit virtuellen Flaschen (»Trink ’ne Cola mit X«) beglückt werden, und beglückt war auch der Konzern, weil oberschlaue Konsumkritiker fürs X »Marxismus« oder »Lenin« einsetzten und an Leute schickten, die wahrscheinlich seit Jahren nicht an Coca-Cola gedacht hatten.

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins Titanic.