Popaktivistin

Almut Klotz. Drei Jahre nachdem sie aus dem Badischen nach Berlin gekommen war, gründete Almut Klotz zusammen mit Christiane Rösinger die Lassie Singers, 1988 war das. Die Lassie Singers waren eine Band, die vom DIY-Geist, von Sehnsucht, Müdigkeit und Schwermut beseelt Karrierepläne verfolgte, die niemals so ganz aufgehen wollten. Aber vielleicht sollten sie es auch gar nicht. Die Band löste sich schließlich 1998 auf, Klotz und Rösinger riefen Flittchen Records ins Leben. Drei Jahre später gründete Klotz den Popchor Berlin, mit dem sie berühmte Songs, unter anderem von Blur, als Coverversionen sang. Sie wurde Kolumnistin der Berliner Zeitung und veröffentlichte 2005 zusammen mit ihrem Lebensgefährten Rev. Christian Dabeler den Roman »Aus dem Leben des Manuel Zorn«. Zwei Alben nahmen sie gemeinsam auf, das zweite erscheint in diesen Tagen unter dem Titel »Lass die Lady rein«. In der Nacht vom 15. auf den 16. August ist Almut Klotz im Alter von 51 Jahren einem Krebsleiden erlegen.   oko
Preispolitik
Goldener Leopard. Zu trashig? Vielleicht schwer verständlich, kunstvoll doppelbödig und supercodiert? Beim Filmfestival in Locarno, dem viertwichtigsten Europas nach Cannes, Berlin und Venedig, gewinnt mit »Historia de la meva mort« (»Die Geschichte meines Todes«) ein Film den Hauptpreis, der beim Publikum offensichtlich Befremden auslöste. Bei der Galaaufführung der spanisch-französischen Gemeinschaftsproduktion in Locarno verließen die Zuschauer reihenweise das Kino. Dabei klingt der Stoff interessant, der Film erzählt von einer Begegnung zwischen Dracula und Casanova. Während die Verfilmung von Charlotte Roches »Feuchtgebiete« leer ausging, erhielt der 29jährige deutsche Filmemacher Marc Bauder die Auszeichnung für den besten Film der Sektion »Woche der Kritik«. In »Master of the Universe«, einer deutsch-österreichischen Koproduktion, wirft Bauder einen Blick auf das internationale Bankwesen und lässt einen Ex-Banker über einschlägige Geschäftspraktiken berichten.   oko
Pressegepöbel
Thilo Sarrazin. Taz wird von wütendem Millionär zur Kasse gebeten. Taz-Redakteur Deniz Yücel hatte in einer Kolumne irrtümlicher­weise behauptet, Bestsellerautor Thilo Sarrazin habe eine halbseitige Gesichtslähmung wegen eines Schlaganfalls erlitten, und ihm gewünscht, »der nächste Schlaganfall möge sein Werk gründlicher verrichten«. Der Deutsche Presserat sprach im Dezember 2012 eine Missbilligung gegen die Online-Ausgabe der Taz aus. Auf eine Klage Sarrazins wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte untersagte das Landgericht Berlin der Taz, den Text weiter zu veröffentlichen und zu verbreiten. Außerdem wurde Sarrazin eine Entschädigung in Höhe von 20 000 Euro zugesprochen. Und das, obwohl Yücel zuvor klargestellt hatte, »dass ich jedem ein möglichst langes Leben frei von Krankheit wünsche, gerade auch erfolgreichen Buchautoren, Letzteren allein schon deshalb, weil sie damit die Chance gewinnen, ­etwas dazuzulernen und von Irrtümern abzulassen.«   oko
Produzentenzynismus
Sklaventreiberei. Auf 4 000 Stellen kamen in Spanien mehr als 15 000 Bewerber. Nicht jeder wird als Sklave genommen. Die Aussicht auf ­einen Tagessatz von 80 Euro hatte für den starken Andrang gesorgt. Nach An­gaben der Casting-Agentur kamen die Interessenten selbst aus weit entfernt liegenden Landesteilen, um eine Statistenrolle in »Ex­odus« zu ergattern, dem Bibeldrama über den Auszug der ­Juden aus Ägypten von Regisseur Ridley Scott. In Andalusien liegt die Arbeits­losenquote bei 35 Prozent. Irgendwie zynisch.   oko