Die spanische Mauer

Er hätte wohl wissen müssen, dass auf seine Umweltschutzmaßnahme empfindlich reagiert wird, schließlich ist Fabian Picardo leitender Minister der 6,5 Quadratkilometer kleinen britischen Kolonie ­Gibraltar. 70 Zementklötze ließ er versenken, um ein künstliches Riff zu bilden, doch die daraus ragenden Metallstangen verhindern das Fischen mit Schleppnetzen und seine Maßnahme löste eine internationale Krise aus. Vor 308 Jahren hatte die britische Marine den an der Meeresenge zu Marokko gelegenen Affenfelsen erobert. Spanische Nationalisten fordern seitdem die Rückgabe an Spanien. Am rabiatesten der ehemalige Diktator Franco – 1969 ließ er die Grenze zu Gibraltar schließen. »Durch die Abriegelung der Grenze wurden Familien getrennt, wie bei der Berliner Mauer«, erklärte der für seine direkte Ausdrucksweise bekannte Sozialist Picardo vorige Woche der SZ. Durch die Abgrenzung wurden die 30 000 Einwohner Gibraltars britisch. 2002 stimmten 99 Prozent dagegen, die Souveränität an Spanien abzutreten. Nachdem die konservative Volkspartei (PP) Ende 2011 die Wahlen in Spanien gewonnen hatte, war Schluss mit der Kooperation mit Gibraltar. »Er war der erste spanische Außenminister in der Geschichte, der offiziell sein eigenes Land besuchte«, kommentierte Ministerpräsident Mariano Rajoy den Besuch des abgewählten spanischen Außenministers in Gibraltar 2009.
Während Picardo betont, dass die Schaffung des künstlichen Riffs vor Gibraltar nötig zur Regeneration des Fischbestandes und der Meeresfauna gewesen sei, ergriff die spanische Regierung eifrig die Chance, mit einer nationalistischen Kampagne von der eigenen katastrophalen Austeritätspolitik abzulenken – und von den Korruptionsvorwürfen gegen den PP. Die Grenzkontrollen zwischen Gibraltar und La Línea wurden verschärft, stundenlang warteten Tausende Berufspendler und Reisende täglich auf den Grenzübertritt. Picardo bat den britischen Premierminister um Unterstützung, der Beschwerde bei der EU einlegte. Der 41jährige Picardo vermeidet nationalistische Töne und betont, dass auch die vielen Spanier, die in Gibraltar arbeiten, unter der Politik ihrer Regierung litten. Während vor einer Woche auf spanischer Seite Dutzende ostentativ beflaggte Fischerboote gegen das künstliche Riff protestierten, stellte Picardo trocken klar: Zuletzt sei nur noch ein Schiff in dem nun abgesperrten Teil der Bucht auf Fang gegangen – mangels Fischen.