Machtkampf in Mali nach den Präsidentschaftswahlen

Ein harter Machtkampf steht bevor

Am 4. September tritt der neue Präsident Malis sein Amt an, doch weiterhin streiten verschiedene Lager um die Macht.

Der auf Ibrahim Boubacar Keïta, genannt IBK, lastende Druck ist groß. Neben der Ernennung eines Ministerpräsidenten muss der malische Präsident über den Termin für die Parlamentswahlen entscheiden. Diese wichtigen Entscheidungen bestimmen die künftige politische Ausrichtung in Mali. Nach dem Präsidenten müssen nun auch die Nationalversammlung und die Lokalparlamente neu gewählt werden. Aber es stellt sich die Frage, wann diese Wahlen stattfinden sollen und wer sie organisiert und überwacht.
Noch regiert die Übergangsregierung unter Präsident Dioncounda Traoré. Das Kräfteverhältnis zwischen den politischen Strömungen und Parteien dürfte sich aber ändern. Zwei Lager kämpften seit dem Ausbruch der schweren Staatskrise von Anfang 2012 um die Macht. Auf der einen Seite standen die Vertreter der alten Oligarchie, die unter dem vormaligen Präsidenten Amadou Toumani Touré das Land an den Rand des Abgrunds wirtschaftete. Touré hätte im Frühjahr 2012 zurücktreten müssen, bereitete sich aber auf ein Arrangement vor, durch das er bis 2015 im Amt geblieben wäre. Unter Berufung auf einen Verfassungsartikel, der es erlaubt, Wahlen im Notstands- oder Kriegsfall auszusetzen, hätte er die Präsidentschaftswahl wahrscheinlich verschoben. Dies war, neben dem Interesse der alten Oligarchie und der Warlords im Norden am Drogenhandel, einer der Gründe, warum Touré die Warlords der separatistischen Tuareg-Bewegung MNLA im Bunde mit den Jihadisten im Norden Malis immer wieder gewähren ließ.

Die jungen Offiziere, die am 22.März 2012 gegen Touré putschten, erhielten von einem großen Teil der Bevölkerung, der der alten Elite vorwarf, das Land in die Katastrophe geführt zu haben, daher große Unterstützung. Viele der Offiziere hatten kaum ausgereifte politische Ideen, einige von ihnen verfügten aber über indirekte Verbindungen zur Linken. Als ranghöchster Offizier, der die jungen Putschisten unterstützte, wurde Haupt­mann Amadou Sanogo herbeigerufen, um die Spitze der Regierung zu bilden. Sanogo, der bereits zum Leiter eines »Komitees zur Reform der Streitkräfte« ernannt worden war, wurde in einer letzten Amtshandlung des Übergangspräsidenten unmittelbar vor der Präsidentschaftswahl zum General befördert, obwohl er nicht über den verfassungsrechtlich für diesen Rang erforderlichen höheren Bildungsabschluss verfügt. »Les Sofas de la République«, eine Gruppe von Rappern und Juristen, will nun Klage gegen ­diese Entscheidung erheben. Traoré verteidigte sich damit, er habe dem künftigen Amtsinhaber Keïta »eine Entscheidung abnehmen« wollen.
Dieses Verhalten spiegelt das Gewicht der Putschbefürworter in der Übergangsregierung wider: Zehn Minister gehören diesem Lager an, obwohl die alte Oligarchie und das vormalige Regierungslager den Staatsstreich vehement verurteilt hatten. Die unter dem Druck der Bevölkerung und der Armee erfolgte Umbildung der provisorischen Regierung im Dezember 2012 hat das Gewicht dieses Lagers verstärkt. Frankreich und die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas hatten hingegen stets gefordert, dass die Putschisten weichen und »eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung« erfolgt.

Keïta hatte es im Wahlkampf geschafft, die Unterstützung einer heterogenen Koalition aus linken, aber auch islamistischen Kräften und sogar der Putschbefürworter zu gewinnen. Obwohl er aus der alten politischen Klasse kommt, war sein Slogan von der neu zu gründenden »Vierten Republik« populär. Gerüchte begleiten unterdessen das Ringen um Einfluss. Am Donnerstag voriger Woche etwa schrieb die malische Zeitung Le Soir de Bamako unter Berufung auf Gerüchte vom Vortag, Hauptmann Youssouf Abdoulaye Touré, ein Berater Sanogos, sei verhaftet worden. Er habe versucht, den General zu vergiften. Am selben Tag dementierte Touré in der Tageszeitung L’Indépendant das Gerücht von seiner Festnahme, das auch vom in Mali beliebten französischen Radiosender RFI verbreitet worden war. Die wirre Informationslage lässt darauf schließen, dass ein harter Machtkampf bevorsteht.