Berlin Beatet Bestes. Folge 208

Ein unerwartetes Wiederhören

Berlin Beatet Bestes. Folge 208. The Fabulous Mach Kung-Fu: Bugged (1996).

Vor sechs Wochen schrieb ich hier über Platten, die ich nicht mehr besitze. Jetzt brachte mir der Postbote ein Paket, in dem sich ein Exemplar der 10-inch von Mach Kung-Fu befand, die ich in dem Text erwähnt hatte. Leider war kein Brief beigelegt und auch ein Name war nur zur Hälfte angegeben. Ich möchte mich an dieser Stelle herzlich bei dem Unbekannten für das schöne Geschenk bedanken. Ein Retour-Paket ist bereits verschickt.
Die Platte hatte ich 1996 gekauft, als sie erschien. Und weniger als ein Jahr später verschwand sie auch schon wieder beim Auflegen im Hamburger Golden Pudel Club. Seit damals habe ich sie nicht mehr gehört und mich darüber hinaus auch von Garage und Surf entfernt. Nun bin ich neugierig auf ein Wiederhören. Zuerst fällt mir auf, dass ich mich in der Beschreibung des Sounds geirrt habe. »Bugged« ist gar keine Surf-Platte. Mach Kung-Fu aus Osaka machen typischen japanischen Garage-Rock der neunziger Jahre, irgendwo zwischen der Girlband The 5.6.7.8’s und der Instrumental-Gruppe Jackie & The Cedrics. Allerdings spielen Mach Kung-Fu alles in einem Affenzahn. »Mach« ist schließlich die Maßeinheit für das Verhältnis von Geschwindigkeit und Schallgeschwindigkeit. Die Instrumentalnummern allerdings sind der Hammer! Dass ein Trio so präzise und laut klingen kann! Der fette Hall der Fender-Gitarre, das treibende Saxophon und die Motorengeräusche verdichten sich in »Slippery Shillelagh« zu einem maximal modernen Rock’n’Roll-Sound. Reggie Perkins’ Rockabilly-Klassiker »High School Caesar« aus dem Soundtrack des gleichnamigen B-Movies von 1960 ist, gesungen von Schlagzeugerin Goto, kaum mehr wiederzuerkennen. Das Cover der Platte hat Rockin’ Jelly Bean, Comic-Zeichner und Bassist von Jackie & The Cedrics, gestaltet. Als Comic-Zeichner hat er sich hier allerdings zurückgenommen. Das Foto der Band bildet den Blickfang, der ergänzt wird durch die von Hand gezeichneten Schriftzüge auf der Bassdrum und die daneben stehenden Songtitel. Auf dem Backcover ist außerdem ein Hot-Rod-Cartoon der Band zu finden.
In den Neunzigern habe ich jede japanische Platte gekauft, die ich in die Finger kriegen konnte. Ein Merkmal dieser Bands war ihre Tendenz zur Übertreibung, Schrammeligkeit und maximalen Energie. Die vier Singles von The Fabulous Mach Kung-Fu, die ich noch besitze, sind alle nicht so gut wie »Bugged«. Hier klingt die Band klarer, sie wurde besser produziert, ohne allerdings ihre rohe, jugendliche Energie einzubüßen. Natürlich gab es in den Neunzigern Hunderte ähnlicher Bands, von denen sich allerdings viele nach wenigen Jahren auflösten oder ihre ursprüngliche brutale Energie verloren. Dabei gab es in der Garage-Szene trotz des konservativen auch immer ein progressives Element. Bands wie The Oblivians, The Dirtbombs und Man or Astro-man? entwickelten sich beständig weiter. Wenn es um die Spielart der Fünfziger und frühen Sechziger geht, war dies dennoch vermutlich der letzte Moment in der jüngeren Geschichte, in dem Rock’n’Roll noch frisch, wild und jugendlich geklungen hat. Ich habe mich über das Wiederhören sehr ­gefreut.

Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com/) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.