Pogromstimmung in Duisburg

Problemstadt Duisburg

Ein Blick nach Duisburg zeigt, welches Ausmaß der Antiziganismus in Deutschland annehmen kann.

»Selbst sozial Engagierte sagen doch, dass nur wenige Roma integrationswillig sind. Die anderen kommen mit unserer Gesellschaft nicht klar. Die müssen weg.« Diese Sätze stammen von Ramon van der Maat. Er ist Sprecher der Polizei Duisburg. Wie etliche Politiker und zahlreiche Bewohner Duisburgs, insbesondere des Ortsteils Rheinhausen, hat er ein Problem in der Stadt ausgemacht: den Häuserblock In den Peschen 3–5 ­beziehungsweise dessen Bewohner.
Dort leben Zeitungsberichten zufolge ungefähr 1 000 Roma aus Bulgarien und Rumänien in nur 74 Wohnungen. In und vor dem Haus geht es laut zu, zumal Hunderte Kinder dort wohnen. Müllsäcke stehen am Straßenrand, offenbar gibt es nicht genug Mülltonnen. Einige Roma bessern sich ihre kümmerlichen Einkünfte anscheinend durch Diebstähle auf. Lärm, Müll, Kleinkriminalität – was anderswo Grund für einen Nachbarschaftsstreit wäre, nehmen Duisburger Wutbürger zum Anlass für einen Beitrag zum Ideenwettbewerb »Regelung der Zigeunerfrage«, der 1938 von Heinrich Himmler ausgerufen wurde. Von der »Zigeunerbrut« schwadronierte kürzlich ein Mann unwidersprochen auf einer als Bürgerversammlung getarnten Zusammenrottung, der Moderator sprach von Menschen, die »kulturell nicht hierher passen«, jemand drohte: »Wenn die Stadt nicht eingreift, dann müssen wir halt selber handeln.« Die Facebook-Gruppe »In den Peschen 3–5« hat Handlungsvorschläge erarbeitet: »Zündet das Haus einfach an«, »Napalm rein. Auf Wiedersehen«, ein anderer empfahl, die Roma hinter »Stacheldrahtzaun ohne Tor auszuhungern«.
Der forsche Duisburger Nachwuchs hat das Haus mit rassistischen Sprüchen beschmiert und fährt an dem Gebäude entlang, um antiziganistische Parolen zu grölen und den Hitlergruß zu zeigen. Andere kommen zur Einschüchterung mit Messern und Knüppeln bewaffnet auf das Gelände, was wie eine Aufwärmübung für Schlimmeres wirkt. Einige Familien haben das Haus schon verlassen, manche Eltern lassen ihre Kinder nur noch bekleidet schlafen, um im Notfall schnell flüchten zu können.
All das bleibt überwiegend unwidersprochen. Denn in der Feinderklärung herrscht Einmütigkeit. Der CDU-Politiker Peter Biesenbach fordert, »gegen Kriminelle, die in dem Haus leben«, hart vorzugehen. Duisburgs Stadtdirektor Reinhold Spaniel (SPD) kann Anwohner verstehen, »die sich durch das Verhalten der Südosteuropäer belästigt fühlen«. Und die Polizei lässt über den Sprecher ausrichten: »Die müssen weg.« Nachtwache zum Schutz des Hauses halten besorgte Privatpersonen, die Polizei schickt lediglich zwei- bis dreimal täglich eine Streife vorbei.
Das Gerede über das »Problemhaus«, wie das Gebäude in den Medien meist genannt wird, sollte man deshalb als das bezeichnen, was es ist: die verbale Vorbereitung eines antiziganistischen Pogroms, an der sich Bevölkerung, Politiker und Polizei beteiligen. Wer sich ein Bild vom Wesen des Antiziganismus machen möchte, braucht nicht nach Ungarn oder Tschechien zu schauen. Der Blick auf das gutbürgerliche Duisburg-Rheinhausen genügt.