Ein-Euro-Jobber sollen Flutschäden be­seitigen

Qualifizierendes Schlammschaufeln

Für die Beseitigung der Schäden, die durch das Hochwasser entstanden sind, werden Ein-Euro-Jobber eingesetzt.

Flutkatastrophen sind eine regelmäßige Erscheinung. Mit nahezu ähnlicher Gesetzmäßigkeit werden in Deutschland im Nachhinein jeweils Forderungen erhoben, Arbeitslose als möglichst kostengünstige Helfer zur Beseitigung der entstandenen Schäden heranzuziehen. So war es etwa 2002 nach der sogenannten Jahrhundertflut, als die rot-grüne Bundesregierung zusätz­liche Mittel zur Beschäftigung von 12 000 Arbeitslosen bereitstellte, und selbst nach der Tsunami-Katastrophe im Jahr 2005, als einige FDP-Politiker auf die famose Idee kamen, Ein-Euro-Jobber als Zeichen der Solidarität nach Südostasien zu entsenden. Es erstaunt daher nicht, dass nach dem jüngsten Hochwasser derzeit wieder Hunderte Hartz-IV-Bezieher in den betroffenen Gebieten dabei sind, mit der Schippe gegen Schlamm und Dreck anzukämpfen – als »Wiedereingliederungsmaßnahme«.

Bereits im Juni haben das SPD-geführte, sachsen-anhaltinische Sozialministerium und die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit Sachsen-Anhalt-Thüringen vereinbart, Gelder für 3 000 Arbeitslose zur Verfügung zu stellen. Die aus verschiedenen Quellen stammenden Mittel, unter anderem den Eingliederungstöpfen der Jobcenter und dem vom Europäischen Sozialfonds finanzierten Programm »Aktiv zur Rente«, das sich explizit an ältere Arbeitslose über 50 richtet, werden dabei freilich nicht zum Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung verwendet, sondern zur Finanzierung sogenannter Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung – den Ein-Euro-Jobs. Konkret verdienen die Fluthelfer für Tätigkeiten wie das Entfernen von Sandsäcken oder Reinigen von Parkanlagen etwa 1,25 Euro pro Stunde zusätzlich zum Hartz-IV-Regelsatz von gegenwärtig 382 Euro. Der Hinzuverdienst ist dabei auf 160 Euro begrenzt. Wie viele Arbeitslose in der Gegend um Magdeburg, Halle und Stendal derzeit im Einsatz sind, ist unklar.

Der Sprecher der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen, Kristian Veil, nennt in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Jungle World die Zahlen von 150 Personen für Thüringen und 250 für Sachsen-Anhalt – Stand Mitte Juli. Die aktuellen Zahlen dürften allerdings weit höher ausfallen, denn allein im Landkreis Stendal schuften derzeit rund 300 Hartz-IV-Bezieher, wie die Taz kürzlich berichtete. Veil versichert jedoch, dass die Arbeitslosen freiwillig an Ort und Stelle seien. Man spreche zwar gezielt geeignete Personen an, es sei ihm jedoch »kein Fall bekannt, in dem Kunden zu einer solchen Maßnahme gedrängt worden wären«. Vielmehr hätten sich »die Kunden« aus eigenem Antrieb für Aufräumarbeiten registrieren lassen. Sebas­tian Bertram, der Betreiber des Portals Gegen-Hartz.de, sieht das anders. Er verweist auf die generelle Machtstellung der Sachbearbeiter: »Viele Betroffene fühlen sich deshalb psychisch stark unter Druck gesetzt und machen dann das, was der Sachbearbeiter sagt.«
Die Zulässigkeit derartiger Arbeitseinsätze verkündete Anfang August das Bundesarbeitsministerium. Auf eine Anfrage der Linkspartei im Bundestag teilte die Behörde mit, dass der Einsatz Arbeitsloser zur Beseitigung von Flutschäden nicht gegen die Grund- und Menschenrechte verstoße und die Regierung nicht gedenke, diese Praxis zu unterbinden. Das Sozialgesetzbuch sehe diese Möglichkeit ausdrücklich vor.
Das formale Ziel der »Arbeitsgelegenheiten« und von Programmen wie »Aktiv zur Rente« ist jedoch die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Dass das gemeinsame Entfernen von Schlamm Arbeitslosen zu einem nennenswerten Qualifikationssprung verhilft, darf allerdings bezweifelt werden. Auf Nachfrage der Jungle World schreibt Veil hierzu, dass »neben den ganz prak­tischen Tätigkeiten auch das Trainieren von Skills wie Teamwork, Zeitmanagement und Organi­sation und darüber hinaus auch das Erleben eines ›normalen‹ Arbeitsalltags« hilfreich seien. Ausschlaggebend für den Einsatz dürfte dennoch sein, dass die Kommunen gern die billigen Arbeitskräfte in Anspruch nehmen.
Bertram spricht von Missbrauch und sieht hier statt einer Qualifizierungsmaßnahme eher Ansätze des traditionellen Workfare-Konzepts, das Transferleistungen nur im Gegenzug für Arbeit vorsieht.
In Thüringen möchte man Langzeitarbeitslose demnächst auch längerfristig zu Präventionsarbeiten gegen Überflutungen einsetzen. Der Fraktionsvorsitzende der Thüringer CDU, Mike Mohring, gab kürzlich in einem Interview bekannt, dass seine Partei gemeinsam mit dem Koalitionspartner SPD ein Wiederaufbauprogramm wolle, bei dem Erwerbslose Flussbetten säubern und bei der Begradigung der ausgespülten Flussufer helfen sollen. Hierzu möchte Mohring befristete Jobs schaffen – als Chance für die Arbeitslosen. Worin genau diese bestehen soll, ist allerdings unklar.

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rolf Baumann, zeigt sich in einem Telefongespräch mit der Jungle World eher verhalten. Vor allem die Finanzierung von Mohrings Vorschlag sei ungewiss. Darüber hinaus dürfe der Privatwirtschaft keine Konkurrenz gemacht werden, und es müsse selbstverständlich einen »Mehrwert für die Arbeitslosen« geben.
Als Mindestanforderung nennt er neben Qualifizierungsmaßnahmen den Mindestlohn für das Dienstleistungsgewerbe von großzügigen 8,33 Euro. Gegen die noch kostengünstigere Variante, wie sie – von der Öffentlichkeit größtenteils unbemerkt – ohnehin bereits seit Wochen mit den Ein-Euro-Jobbern als Aufräumarbeitern betrieben wird, hat seine Partei hingegen nichts einzuwenden.