Die mangelnde Solidarität mit syrischen Aufständischen

Der Osten ist nah

Wer den syrischen Aufständischen die Solidarität verweigert, stärkt die reaktionärsten Kräfte der Bourgeoisie in aller Welt.

Zeit für Analysen und Debatten war eigentlich genug, denn seit dem Ende des Kalten Krieges ist nunmehr fast ein Vierteljahrhundert vergangen. Bis zum Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten dienten westliche Militär- und Geheimdienstinterventionen dem Kampf gegen den »Kommunismus«, dem alle Bewegungen zugerechnet wurden, die sozialpolitisch anrüchig schienen oder sich auch nur gegen die alten Kolonialmäche Europas richteten. So unterstützte der Westen sowohl ein rechtsextremes Regime gegen Ho Chi Minh, einen Bewunderer der USA, der deren Unabhängkeitserklärung für Vietnam schlicht kopiert hatte, als auch die Terroristen der Contra gegen die Sandinisten in Nicaragua, die eine Landreform durchsetzen wollten.
Rückblickend betrachtet, waren die »sozialistischen« eher jakobinische Befreiungsbewegungen, sie setzten die nachholende kapitalistische Entwicklung unter den Bedingungen weltwirtschaftlicher Marginalisierung mit Gewalt gegen die einheimische Oligarchie durch. Dennoch war die Solidarisierung der Linken mit Bewegungen wie den Sandinisten und den Vietminh richtig. Denn die alte Oligarchie musste entmachtet werden, und die westliche Bourgeoisie stand dem historischen Fortschritt im Weg.
Doch 1994 brachte die US-Regierung in Haiti den von Putschisten gestürzten linkspopulistischen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide mit einer Militärintervention wieder an die Macht, ein deutliches Zeichen für die Abkehr von der antikommunistischen Hysterie und der bedingungslosen Unterstützung rechter Dikatoren. Zehn Jahre später wurde Aristide mit Hilfe der USA und Frankreichs wieder gestürzt. Eine konsequente Politik zur Durchsetzung von bürgerlicher Demokratie und Menschenrechten ist von der westlichen Bourgeoisie weiterhin nicht zu erwarten. Vielmehr deutet die Syrien-Debatte darauf hin, dass man nun dem deutschen Vorbild zu folgen und sich außenpolitisch auf die Durchsetzung des globalen Freihandelsregimes und der nationalen Sicherheitsinteressen zu beschränken gedenkt.
Der Syrien-Konflikt könnte sich daher als der Spanische Bürgerkrieg unserer Epoche erweisen, dessen Ausgang entscheidend für die Form kapitalistischer Herrschaft auch jenseits des Nahen Ostens ist. Wie damals weiß die antidemokratische Bourgeoisie, repräsentiert nun von den Regierungen Russlands, Chinas und des Iran, sehr genau, was sie will, während das westliche Establishment, selbst mit autoritären Lösungen liebäugelnd, den Ereignissen ihren Lauf lässt. Eine relevante revolutionäre Linke gibt es allerdings derzeit nicht. Daher bleibt die bürgerliche Demokratie unentbehrlich. Sie bietet noch die besten Lebensbedingungen und auch die besten Voraussetzungen für emanzipatorische Kämpfe.
Welche Chancen eine Intervention zur Durchsetzung demokratischer Verhältnisse bietet, sollte daher das enscheidende Kriterium sein. Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, da etwa das richtige Ziel, die Taliban in Afghanistan zu stürzen, zu einer desaströsen Intervention führte, weil die westlichen Regierungen sich mit den afghanischen Warlords verbündeten, deren Entmachtung die Voraussetzung für eine Demokratisierung des Landes ist. Wer die Frage nicht einmal stellt, verweigert jedoch den arabischen Aufständischen die Solidarität und stärkt die reaktionärsten Kräfte der Bourgeoisie in aller Welt.