Glaubhaft ankern

Der Duden als »Sprachpanscher« – das ist so, als würde man den Papst am Kondom­automaten erwischen. Aber beim Verein Deutsche Sprache ist man not amused und hat dem Duden den Titel in diesem Jahr zugesprochen: »Wie kaum eine andere Organisation trage der Duden seit Jahren dazu bei, dass sich sprachliches Imponiergehabe im Glanze einer quasi amtlichen Zustimmung sonnen dürfe.« Selbst wenn man von der ein wenig schiefen Metapher – wie sonnt sich ein Gehabe im Glanze einer Zustimmung? – absieht und den leicht durch ein »gleichsam« ersetzbaren Latinismus »quasi« übergeht, kann die Argumentation nicht überzeugen. »Wo bleiben der Nachsteller – statt ›Stalker‹, der Netzhandel – statt ›E-Business‹ – oder der Klapp­rechner, der immerhin über 34 000 Treffer bei Google aufweist?« fragt der Vereinsvorsitzende Walter Krämer. Doch zum Stalking gehört etwas mehr als schlichtes Nachstellen. Was den Netzhandel betrifft, so findet er sich Am Seitenkanal 14 in Lathen. Dort verkauft Herr Zehler Netze. Im Obsthandel würde man ja auch Obst erwarten. Es müsste also eher Rechner- beziehungsweise Klapp­rechner- oder Beweglichfernsprechergeschäft heißen, wenn man E-Business ersetzen will.
Aber wozu eigentlich? Die häufig kritisierten Anglizismen der Reklame und behördlicher Abteilungen für ­öffentliche Beziehungen würden in deutscher Sprache auch nicht besser klingen. Sohn des Reinlich statt McClean – lässt sich so das Abendland retten? Doch manchen Deutschen ist es sehr wichtig, in welcher Sprache die Menschen nichts sagen: »Zweiter unter fünf Kandidaten wurde Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der durch sein Insistieren auf Englisch selbst in Anwesenheit von Dolmetschern allen Versuchen in den Rücken falle, Deutsch als echte Arbeitssprache glaubhaft in der EU zu verankern.« Ja, selbst in Anwesenheit von Dolmetschern, wenn also diese faulen Südländer nicht einmal Deutsch gelernt haben müssen, obwohl das eigentlich angesichts unserer großzügigen Hilfe ihre Pflicht wäre. Zu fragen wäre hier nicht nur, ob man Versuchen wirklich in den Rücken fallen kann, was eine echte von einer unechten Arbeitssprache unterscheidet und wie man erkennen will, ob diese nicht nur unglaubhaft vor Anker gegangen ist, sondern vor allem, ob die vorgeblichen Sprachschützer nicht eher nationalistische Interessen vertreten. By the way: So etwas gibt es nicht nur in Deutschland, Aufregung über sprachliche Verunreinigung kennt man auch in anderen Ländern. Die Briten können sich zwar nicht über Anglizismen empören, doch wollte der Stadtrat von Bournemouth Latinismen aus der Behördensprache tilgen. Ohne Erfolg, denn viel hätte man den Bürgern dann nicht mehr mitteilen können, da auf dem Lateinischen basierende Wörter 70 Prozent der englischen Sprache ausmachen.