Hindernisse bei den israelisch-palästinensischen Friedensgesprächen

Wer pleite ist, muss freundlich sein

Die israelisch-palästinensischen Friedensgespräche gehen offenbar weiter. Auch auf der palästinensischen Seite gibt es Hindernisse für erfolgreiche Verhandlungen.

Ohne den unermüdlichen Einsatz des US-amerikanischen Außenministers John Kerry mit sechs Pendelmissionen im Nahen Osten wäre die Wiederaufnahme der vor fünf Jahren abgebrochenen Friedensverhandlungen nicht zustande gekommen. Keineswegs stellt nur die israelische Siedlungspolitik ein »Hindernis für den Frieden« dar, wie oft behauptet wird, sondern auch auf der palästinensischen Seite gibt es viele Hemmnisse. Jeder will »Frieden«, doch zu den eigenen Be­dingungen. Die werden oft genug von der anderen Seite als Kriegserklärung verstanden. Dazu ge­hören die israelischen Baupläne für Siedlungen in der Westbank, die palästinensische Weigerung, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen, und die Forderung nach einem »Rückkehrrecht« für arabische Flüchtlinge, die inzwischen, da der Status vererbt wird, mehrere Millionen zählen und deren Einwanderung den Staat Israel völlig verändern würde. Die Liste der Hindernisse auf beiden Seiten ist lang. Niemand weiß genau, was Kerry den Palästinensern versprochen hat, damit sie doch wieder an Verhandlungen teilnehmen. Die Freilassung von etwa 130 Gefangenen in mehreren Phasen kann es nicht allein gewesen sein. Nichts ist bekannt über neue israelische Angebote, die über das hinausgehen, was die Ministerpräsidenten Ehud Barak in Camp David 2000 und Ehud Olmert bis zu seiner Absetzung wegen Korrup­tionsaffären angeboten haben.
Mahmoud Abbas steht vor unüberwindlichen ­internen Schwierigkeiten. Dass er neuerlichen Gesprächen mit Israel zugestimmt hat, dürfte seine Lage sogar verschlechtern. Das erste Problem ist seine Legitimität als Präsident der Paläs­tinensischen Autonomiebehörde (PA). Die letzten Wahlen fanden 2006 statt. Den überragenden Wahlsieg der islamistischen Hamas wollten Abbas und seine Partei Fatah nicht akzeptieren. So kam es 2007 zum Putsch der Hamas im Gazastreifen, wo sie sich die Kontrolle über die Sicherheitskräfte, die ihr zugestanden hätte, gewaltsam nahm. ­Das führte zu einer bis heute nicht überwundenen Spaltung der Palästinenser. Hamas und Fatah, die großen Parteien, bekämpfen sich bis aufs Messer. Das Parlament ist aufgelöst und Abbas regiert in der Westbank wie ein Diktator mit Notstandsgesetzen und mit einer per Dekret eingesetzten Regierung. Die Hamas regiert im Gaza-Streifen, ebenfalls ohne demokratische Legitimation.
Zu Recht behauptet die Hamas, dass Abbas kein Mandat habe, im Namen aller Palästinenserinnen und Palästinenser zu sprechen und gar mit Israel über Konzessionen zu verhandeln. Wegen dieses Zwistes steht in den Sternen, wie Abbas einen ausgehandelten Vertrag umsetzen will, solange er keinen Fuß in den Gaza-Streifen setzen kann. Undenkbar ist aber ein Frieden, wenn Israel weiterhin vom Gaza-Streifen aus mit Raketen beschossen wird.
Ein entscheidender Grund, dem Druck der USA nachzugeben, dürfte die desolate Wirtschafts­lage in der Westbank gewesen sein. Wegen der weltweiten Finanzkrise und politischer Lähmung haben die wichtigsten Geberländer ihre Zuwendungen an die PA gekürzt. Die Milliarden, die sie bislang zur Verfügung stellten, wurden kaum zum wirtschaftlichen Aufbau genutzt. Jetzt fehlt Abbas das Geld, um seinen aufgeblähten Beamtenapparat und die Sicherheitskräfte zu bezahlen. Die reichen arabischen Länder haben zwar viel Geld versprochen, aber fast nichts überwiesen. Natürlich gibt es auch die israelische Besatzung. Aber in schlimmeren Zeiten, während der Intifada, als Israel schließlich eine Mauer und Straßensperren errichtete, steckte die Regierung in Ramallah nicht so tief in der Krise wie heute. Inzwischen sind die meisten Sperren innerhalb der besetzten Gebieten weggeräumt und fast 100 000 Tagelöhner werden nach Israel gelassen.

Offenbar hat die US-Regierung Abbas klargemacht, dass er dem »politischen Weg« zustimmen muss, um weiterhin mit israelischer und US-amerikanischer Duldung an der Macht zu bleiben. Kerry und Barack Obama benötigen offenbar den kleinen symbolischen Erfolg israelisch-palästinensischer Friedensgespräche, um den Ver­trauensbruch zwischen der arabischen Welt und den USA zu kompensieren. Seit dem Abflauen der Intifada und erst recht seit dem Ausbruch der arabischen Revolten verringerte sich das Interesse der Medien und damit auch der Politiker an dem vermeintlich ewigen Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Abbas ist wohl mitgeteilt worden, dass der Westen nicht ewig den Aufbau eines palästinensischen Staates finanzieren will. Mit dem Gang zur Uno hatte Abbas einige seiner westlichen Freunde gegen sich aufgebracht, was finanzielle Folgen hatte.
Die US-Regierung hat absolute Geheimhaltung für die Friedensgespräche verfügt. Das nimmt Extremisten und Gesprächsgegnern beider Seiten die Angriffsmöglichkeiten. Dass die Palästinenser gezwungen sind, die Verhandlungen nicht wieder aus nichtigen Gründen oder mit Vorwänden zu kündigen, haben Entwicklungen der jüngsten Zeit bewiesen. Weder die israelische Ankündigung des Baus weiterer Wohnungen in Ostjerusalem noch der Tod von Palästinensern in den Flüchtlingslagern Jenin und Schuafat waren für den Verhandlungsführer Saeb Erekat ein Anlass, die Verhandlungen abzubrechen. Im Gegenteil: Nach einem tödlichen Vorfall in Schuafat, wo israelische Soldaten bei schweren Unruhen infolge einer versuchten Festnahme drei Palästinenser getötet haben, traf sich Erekat mit der israelischen Verhandlungsbeauftragten Tzipi Livni nicht wie angekündigt in Jericho, sondern in seiner Privat­villa. Die Regierungen der USA und Israels dementierten Medienberichte, wonach die Gespräche unterbrochen worden seien.