Es soll ja immer noch Leute geben, die beim Wort »Einzelhandel« an Tante Emma denken, an rotwangige Metzgersfrauen oder wenigstens an klitzekleine Fachgeschäfte für Holzspielzeug und inhabergeführte Boutiquen für Kinderkleidung in Übergrößen. Vielleicht hat auch der eine oder andere schon von diesen komischen Konzernen gehört, denen Ketten wie Douglas, Hussel, Nordsee oder Zara gehören und die in den Innenstädten eine geradezu realsozialistische Gleichförmigkeit von Architektur und Warenangebot hergestelllt haben. Offenkundig reicht das aber nicht als Warnung, denn wann immer es heißt, der Einzelhandel sei besorgt, der Einzelhandel befürchte dies und das, werden alle plötzlich ganz weich und wähnen Tante Emmas Soleierglas in Gefahr. Zur Rettung des Einzelhandels werden Demos verboten und Penner vergrault, und zwar guten Gewissens, denn die Sorgen der Tanten sind unser aller Sorgen. Am Ende ist wieder ein Stück des öffentlichen Raums dahinprivatisiert worden. Der Einzelhandel ist schrecklich, er gehört schnellstmöglich abgeschafft! Er tut unseren Augen weh und hat die Innenstädte auf eine Weise demoliert, die jedes noch so gut gemeinte alliierte Bombardement wie ein Tischfeuerwerk aussehen lässt. Der Einzelhandel ist nicht unser Freund, er ist der Feind des Lebens selbst und gehört daher hinweggefegt. Holt Tante Emma aus dem Heim, drückt ihr einen Laserscanner in die Hand und lasst sie bei Amazon die Cornflakes bruttoregistertonnenweise verkaufen! Dann kann man vielleicht auch wieder in die Stadt gehen, ohne sich durch Wolken von Parfum kämpfen zu müssen, ja, dann gibt es vielleicht auch wieder Parkbänke, die nicht mit Anti-Obdachlosen-Spikes ausgestattet sind. Wär das schön!
Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins Titanic.
