Umweltschützer in Ecuador kämpfen für den Nationalpark

Wald allein macht nicht reich

Die Initiative der ecuadorianischen Regierung für die Bewahrung des Nationalparks Yasuní ist gescheitert. Nun versuchen ecu­adorianische Umweltschutzbewegungen, die Ausbeutung der unter dem Park vermuteten Ölreserven mit einem Referendum zu verhindern.

Der Kongress der 21 Organisationen aus dem ecuadorianischen Amazonasgebiet vom vorvergangenen Wochenende erbrachte ein eindeutiges Votum. »Keine Förderung im Nationalpark Yasuní«, forderten die 615 Delegierten. Sie appellierten gleichzeitig an die ecuadorianischen Behörden, die sozialen Proteste gegen die Ausbeutung des wohl größten Ölfeldes des Landes nicht zu kriminalisieren. Ein paar Tage zuvor hatte die Tageszeitung Hoy berichtet, die Regierung könne Studierenden, die an den Demonstrationen gegen die Ausbeutung der am Rand und unterhalb des Nationalparks Yasuní liegenden Ölreserven teilnehmen, den Zugang zur Universität verweigern.
Dies ist nur ein Indiz dafür, dass Präsident Rafael Correa nicht so ohne weiteres die sogenannte ITT-Initiative zu Grabe tragen und Bagger und Bohrtürme in die ökologisch sensible Region bringen kann. Über das Ende der Initiative, mit der der Nationalpark gerettet werden sollte, muss das Parlament befinden, und da es weitestgehend hinter dem eigenwilligen und charismatischen Präsidenten steht, haben Umweltschützer bereits Mitte August, wenige Tage nachdem Correa die ITT-Initiative für gescheitert erklärt hatte, den ersten Schritt zur Initiierung eines Referendums eingeleitet. Sie beantragten beim Verfassungsgericht am 22. August eine Abstimmung über die Frage: »Sind Sie damit einverstanden, dass die Regierung das Rohöl im ITT, bekannt als Block 43, auf unbestimmte Zeit im Boden belässt?« Die Abkürzung ITT bezeichnet die nach Probebohrungen entdeckten Ölareale Ishpingo, Tambococha und Tiputini.
Nun müssen die Verfassungsrichter entscheiden, ob sie die Frage zulassen, damit die Initiatoren des Referendums anfangen können, Unterschriften zu sammeln. In 180 Tagen müssten sie dann mindestens 596 446 Unterschriften sammeln, was fünf Prozent der Wahlberechtigten entspricht, und sie den Behörden zur Prüfung vorlegen. Dies ist eine beachtliche Hürde für die Organisationen, die für das Referendum plädieren. Doch Umfragen aus dem vergangenen Jahr zufolge ist die Mehrheit der Bevölkerung für die ITT-Initiative. Sie wurde 2007 der internationalen Öffentlichkeit vorgestellt. Es ging darum, das unter dem Nationalpark vermutete Erdöl im Boden zu belassen, statt es zu fördern, um die Biodiversität zu erhalten und keine großen Mengen an CO2 freizusetzen. Für diese Umwelt- und Klimaschutzmaßnahme sollte die »internationale Gemeinschaft« Kompensationszahlungen leisten, die sich auf die Hälfte der potentiellen Erlöse von 7,2 Milliarden US-Dollar aus der Ausbeutung des Erdölfeldes belaufen würden. Das Geld sollte binnen zwölf Jahren auf einem Sperrkonto der Vereinten Nationen eingehen. »Yasuní-ITT war eine neue, visionäre Perspektive für die internationale Kooperation und den Schutz von Klima und Biodiversität«, sagte Jorge Jurado, der Botschafter Ecuadors in Berlin.
Doch von den 3,6 Milliarden US-Dollar gingen bis zum 15. August 2013 gerade einmal 13,3 Millionen US-Dollar ein, monierte Correa in seiner landesweit ausgestrahlten Rede, in der er zur besten Sendezeit das Ende der ITT-Initiative bekanntgab. Die Verantwortung für das Scheitern des Projekts schob er dabei der »internationalen Gemeinschaft« zu: »Die Welt hat Ecuador im Stich gelassen.«

Er beschwerte sich nicht ganz zu Unrecht, auch wenn es weitere konkrete Zusagen über rund 280 Millionen US-Dollar gegeben habe, so die entwicklungspolitische Sprecherin der deutschen Grünen im Bundestag, Ute Koczy: »Vielleicht war die Idee zu futuristisch, aber der zentrale Grund für das Scheitern ist die Tatsache, dass die internationale Gemeinschaft nicht bereit war, Kompensationszahlungen in größerem Umfang zu leisten.« Dabei treffe den deutschen Entwicklungsminister eine Mitverantwortung. »Dirk Niebel war schlicht nicht bereit, Deutschland zum Vorreiter für Yasuní ITT zu machen«, sagt Koczy. Einen Vorreiter hätte die Initiative jedoch gebraucht und Deutschland sei aus energie- und klimapolitischer Perspektive dafür durchaus der richtige Kandidat gewesen, sagte sie weiter. Dagegen hatte sich Niebel allerdings gesperrt und sich trotz erheblichen öffentlichen Drucks vehement gewehrt, in den Fonds einzuzahlen.
Zu mehr als einem Sonderprogramm zum Schutz des Reservats Yasuní in Höhe von knapp 35 Millionen Euro war das Ministerium nicht bereit. Dieses Geld blieb auch in der Obhut des BMZ und wird es bleiben, denn die ecuadorianische Regierung hat das entsprechende Abkommen bereits gekündigt. Der Grund dafür war Kritik der deutschen Regierung. Der Sprecher des Entwicklungsministeriums, Sebastian Lesch, hatte Ecuador die Verantwortung für das Scheitern der Initiative zugewiesen und kritisiert, dass die Regierung mit den Bohrungen umsetzen würde, »was wir immer vermutet haben«.

Bereits in der Rede vom 15. August warb Correa für Verständnis, dass er nun die Förderung im Feld Tiputini genehmigen und das entsprechende Gesetz mit der Nummer 74 dem Parlament vorlegen werde. Die Abgeordneten müssen nur noch erklären, dass die Förderung im nationalen Interesse sei. Correa zufolge ist dies der Fall. Zum einen solle, so der Präsident, nur in einem winzigen Teil des Nationalparks gefördert werden, der »weniger als ein Promille der Fläche beträgt«, zum anderen sind die potentiellen Einnahmen gigantisch. Kalkuliert wird der Tageszeitung La Hora zufolge nunmehr mit Einnahmen in Höhe von 18 Milliarden US-Dollar aus den 920 Millionen Barrel, die unter dem Nationalpark vermutet werden. Auf dieses Geld will Correa nicht mehr verzichten, wie er in seiner Rede deutlich machte: »Wir brauchen die natürlichen Ressourcen, um die Armut zu überwinden und die souveräne Entwicklung voranzutreiben.«
Das sehen längst nicht alle Ecuadorianerinnen und Ecuadorianer so. Derzeit wird der Antrag des Präsidenten in einer Parlamentskommission geprüft. Für diese Beratung stehen der Kommission 45 Tage zur Verfügung. Danach soll der Antrag im Plenum debattiert werden, worauf der Kommission weitere 45 Tage zur Verfügung stehen, um die Position des Parlaments zu formulieren. Gleichzeitig mobilisieren Umwelt- und indigene Organisationen Unterstützerinnen und Unterstützer, um eine der artenreichsten Regionen der Erde vor den Bohrungen zu bewahren.
Doch nicht nur für Flora und Fauna sind die Bohrtürme ein Risiko, sondern auch für die indigene Gruppe der Kichwa, die mitten im Nationalpark Yasuní leben. Viele befürchten, dass Öl austritt und die Flussläufe verseucht. Correa versprach, diese Risiken durch den Einsatz modernster Technik zu minimieren, doch die staatliche Erdölgesellschaft Petroecuador genießt nicht den besten Ruf genießt. Noch größere Schäden als etwaige Ölunfälle könnten Studien der naturwissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Quito zufolge die Siedlerinnen und Siedler verursachen, die mit der Ölförderung kommen. Sie nutzen die im Urwald angelegten Trassen, um vom Holzeinschlag zu leben. So werden immer größere Areale entwaldet und schließlich Weideflächen angelegt. Das könnte auch dem Na­tionalpark Yasuní im Gebiet der Kichwa drohen. Warum solle es dort bessere Zugangskontrollen geben als in anderen Regionen des Landes, fragte warnend der Dekan der katholischen Universität, Hugo Navarrete. Die Zerstörung könnte aber mit dem Erfolg des Referendums verhindert werden.