Das syrische Regime gewinnt diplomatische Anerkennung

Freezing in Hell

Durch die Vereinbarung über die Zerstörung der Chemiewaffen gewinnt das syrische Regime diplomatische Anerkennung.

Kriegsverbrechen können sich bezahlt machen. Der vorige Woche veröffentlichte Bericht von Human Rights Watch stellt fest, dass »mit hoher Wahrscheinlichkeit« syrische Regierungstruppen für den Giftgasangriff auf Ghouta am 21. August verantwortlich waren. Der Vorwurf, die Aufständischen hätten Chemiewaffen eingesetzt, sei hingegen »unglaubwürdig und nicht mit den vorgefundenen Beweisen übereinstimmend«. Die UN-Inspektoren, die ihren Bericht am Montag vorlegten, hatten nicht das Mandat, Verantwortliche zu nennen. Ihre Angaben über das verwendete Waffensystem und die Flugbahn der Raketen bestätigen jedoch die Erkenntnisse von Human Rights Watch.
Doch der Massenmord in Ghouta gilt nicht etwa als Anlass, alles zu tun, um den Sturz der Diktatur Bashar al-Assads zu beschleunigen. Vielmehr verschafft er dem syrischen Regime zumindest eine Atempause. In dem Mitte September von den USA und Russland vereinbarten »Framework for Elimination of Syrian Chemical Weapons« wird der Giftgaseinsatz nicht erwähnt. Wenn das syrische Regime die Zusammenarbeit verweigert, soll sich zwar der UN-Sicherheitsrat mit der Angelegenheit befassen. Doch Assad wird von der »internationalen Gemeinschaft« als legitimer Verhandlungspartner anerkannt. Überdies hat der Diktator nun die Möglichkeit, wichtige Militäreinrichtungen allein dadurch vor Angriffen der Aufständischen zu schützen, dass er sie zu Lager- oder Produktionsstätten von Chemiewaffen erklärt. Denn solange der Verifizierungs- und Zerstörungsprozess läuft, darf die Kontrolle des Regimes über diese Einrichtungen nicht in Frage gestellt werden.
Die Bedeutung dieser Regelung kann den Repräsentanten der US-Regierung schwerlich entgangen sein. Implizit legt das Rahmenabkommen fest, dass Assad bis Mitte 2014 nicht gestürzt werden darf – tatsächlich dürfte die Frist länger sein, denn kaum jemand glaubt, dass der Zeitplan eingehalten werden kann. Dem Regime hingegen werden keine Einschränkungen in der konventionellen Kriegführung auferlegt.
Die militärische Unterstützung der Aufständischen ist verstärkt worden, doch reicht sie nicht aus, um das Kräfteverhältnis grundlegend zu ändern, zumal die nichtislamistischen Rebellen nun an zwei Fronten kämpfen müssen – gegen das Regime und dessen schiitisch-islamistische Verbündete aus dem Iran und dem Libanon sowie gegen die sunnitischen Jihadisten. Zwar gibt es nachvollziehbare Gründe, bestimmte Waffensysteme wie Luftabwehrraketen nicht zu liefern, doch ist die sparsame Dosierung der Militärhilfe wohl auch politisch motiviert. Die Aufständischen sollen ihre Stellungen halten, aber nicht siegen können. Die Verhältnisse sollen offenbar eingefroren werden, um Zeit für Verhandlungen zu gewinnen.
Saudi-Arabien ist vor allem an einer Schwächung des Iran interessiert und will eine Demokratisierung Syriens verhindern, der man auch im Westen eine »politische Lösung«, die Repräsentanten des Regimes zukünftige Teilhabe an der Macht gewährt, vorzuziehen scheint. Die syrische Revolution mag nicht den Wunschvorstellungen der Linken entsprechen, doch angesichts einer »internationalen Gemeinschaft«, die einen Giftgas­einsatz letztlich belohnt, ist die Unterstützung des Befreiungskampfs wichtiger denn je.