Berlin Beatet Bestes. Folge 211

Junge, denk’ an deine Lunge!

Berlin Beatet Bestes. Folge 211. Munich Express: Das Nebellungenlied (1969).

Letzte Woche entdeckte ich diese Single in einem Kreuzberger Trödelladen und hielt sie zunächst nur für eine gewöhnliche Werbeplatte. In Auftrag gegeben wurde sie von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Das Lied war wohl Teil einer Nichtraucherkampagne:
In Karstadt ist heut’ Ausverkauf,/wir fahren zu Mama./Die Leute kommen hier zuhauf’,/das ist doch sonnenklar./Ich komme an,/was muss ich seh’n?/Mich fasst ein kalter Graus./Nur Herz und Leber, bitteschön,/denn Lunge ist schon aus./Drum teer doch nicht mit sechzehn schon die Lunge/Oh-Oh-Oh-Oh/Junge, Junge, deine Lunge./Du machst dein Girl zur Witwe viel zu ba-a-a-a-ld./Hast du dir das denn/schon mal ausgemalt./
Zum Rendezvous/erscheint der Bill,/ist außer sich vor Glück./Doch als er sie dann küssen will,/da weist sie ihn zurück./Der Bill versteht die Welt nicht mehr,/er war doch ihr Geschmack./Was stört sie plötzlich gar so sehr? /Er riecht so nach Tabak!/Drum teer’ doch nicht mit sechzehn schon die Lunge,/Oh-Oh-Oh-Oh/Junge, Junge, deine Lunge./Sonst schenkt dein Girl dir niemals seine Gu-u-u-unst./Und deine Träume/bleiben blauer Dunst.
(Im sächsischen Dialekt:) »Im Stodion zu Eisenstadt/wird eisenhart trainiert./Das Soll heest heute Weltrekord./Genosse Dingsbums fü’rt.«/Doch in der letzten Runde dann,/da wird er kaltgestellt./Warum? »Nu, klaar,/weil düsen Monn/der Raucherhusten quält!«/Drum teer’ doch nicht mit sechzehn schon die Lunge,/sonst sieht dein Girl dich nie am Siegpode-e-e-est./Weil dich im Endspurt/stets die Kraft verlässt.
Ich habe eine ähnliche Platte im Dixieland-Stil, die vor den Gefahren des Alkohols warnt. Zu Hause überraschten mich die zwei Songs gewaltig! Das Nebellungenlied von Munich Express ist eine leicht angebeatete Klamauknummer, stilistisch angelehnt an die 3 Travellers, die humoristisch auch gelegentlich ins Sächsische verfielen.
Die A-Seite ist allerdings der Knaller! »Smoking takes you faster to God« von der Münchner Band Heart of Blues ist ein beatorientierter Krautrock-Song, inklusive bratendem Gitarrensolo. Leider ist der Text auf Englisch, aber das war damals eben cooler.
Im Internet entdeckte ich, dass der Titel in den späten Neunzigern auf der Bootleg-CD »Kraut! Demons! Kraut! – German Psychedelic Underground 1968–1974« wiederveröffentlicht wurde. Diese CD hat wie eine Vielzahl ähnlicher Bootleg-Beat-Compilations niemand anderes als der im April verstorbene Werner Voran aka The Lolly Pope produziert. Als Einzelveröffentlichung wäre der Song sicher von keinem anderen etablierten Label je wiederveröffentlicht worden. Der Bassist von Heart of Blues hat den Titel übrigens persönlich auf Youtube hochgeladen. Illustriert mit dem »Kraut! Demons! Kraut«-Cover.
Letzte Woche bot jemand die Single auf Ebay für 100 Euro an. Zum Glück vergeblich. Ich habe für den Bundeskrautrock einen Euro bezahlt.

Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com/) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.