Die Probleme der Piratenpartei

Alternative für Piraten

Die Bundestagswahl war für die Piratenpartei ein Debakel. Nun muss sie sich wieder mit gewohnten Problemen herumschlagen.

Der Kläger hatte sich viel Mühe gemacht: Der Parteitag der Piraten im Mai 2013 sei ungültig, argumentierte er in einer offiziellen Eingabe an das Bundesschiedsgericht der Partei. Gefehlt habe eine offizielle Eröffnung der Veranstaltung, außerdem seien die Wahlen zum Versammlungsleiter, Wahlleiter und Protokollführer offen erfolgt, ohne dass gefragt worden sei, ob die Teilnehmer eine geheime Abstimmung wünschten. Ferner sei über Antrag Nummer X032 abgestimmt worden, obwohl dieser widerrechtlich erst während der Versammlung gestellt worden sei. Das Bundesschiedsgericht möge daher den Parteitag für unwirksam erklären oder wenigstens beschließen, dass Antrag X032 nicht als angenommen gelte.

Bei Antrag X032 handelt es sich um den vom Parteitag mit großer Mehrheit angenommenen Unvereinbarkeitsbeschluss bezüglich der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD). Der Kläger ist Insiderberichten zufolge Bodo Thiesen. Auf einem Parteitag im Juli 2009 wurden schwere Vorwürfe gegen Thiesen erhoben, da er mehrfach den Holocaust relativiert hatte. Diese Enthüllungen ließen die Anwesenden unbeeinduckt. Thiesen wurde damals zum stellvertretenden Parteirichter gewählt. Ein später gestellter Antrag, ihn auszuschließen, wurde zunächst lange verschleppt und dann mit der Begründung abgelehnt, nicht Thiesen habe der Partei geschadet, sondern die Berichterstattung über ihn. Dass es Thiesen in der kürzlich erhobenen Klage nicht darum ging, den gesamten Parteitag für unwirksam zu erklären, zeigte der Passus zu Antrag X032. Wenigstens dieser sollte vom Bundesschiedsgericht annulliert werden, damit Doppelmitgliedschaften in der Piratenpartei und der AfD erlaubt wären. Die Parteirichter lehnten Thiesens Klage jedoch einstimmig ab.
Seit der Gründung schlägt sich die Piratenpartei mit Mitgliedern herum, die ein ganz eigenes Verständnis von der offiziell immer wieder gern propagierten Meinungsfreiheit haben. Der geplante Ausschluss von Bodo Thiesen vor einigen Jahren wurde damals abgelehnt, weil man sich nicht an der Bestrafung von »Gedankenverbrechen« beteiligen wollte. In Übereinstimmung mit der Naziparole vom sogenannten Meinungsverbrechen gilt solchen Mitgliedern der Piratenpartei die Holocaustleugnung als eine Meinung von vielen, die keinesfalls strafbar sein dürfe.
Aber auch bei anderen Themen toben, vorzugsweise auf Twitter, heftige Kämpfe zwischen den­jenigen, die jegliche Äußerung als von der Meinungsfreiheit gedeckt sehen, und denen, die ­gewisse Standards einhalten wollen. Die Auseinandersetzungen über das angebliche Menschenrecht, weiterhin diskriminierende Worte wie »Zigeuner« benutzen zu dürfen, ziehen sich nun schon seit Monaten hin, ebenso wie die Streitereien über Feminismus und Frauenquote. Manchmal enden sie allerdings nicht nur mit gegenseitigen Diffamierungen, sondern auch mit handfesten Drohungen, und das alles vor den Augen der mittlerweile schwer genervten Twitter-Öffentlichkeit, also auch potentiellen Wählern.

Dass ein Pirat namens Sebastian Scho, der unter dem Namen »netreaper« firmiert, öffentlich ankündigte, beim Parteitag, der vom 30. November bis zum 1. Dezember in Bremen stattfinden soll, bewaffnet zu erscheinen, alarmierte aber sogar viele Mitglieder. Der Mann, der zu den unermüd­lichen Kämpfern gegen feministische Bestrebungen in der Partei gehört, ist kein Unbekannter. Bei der »Piratinnencon«, einer Konferenz, bei der es um Themen wie Gleichstellung ging, hatte er so lange provoziert, bis schließlich die Polizei gerufen werden musste, um das zuvor gegen ihn ausgesprochene Hausverbot durchzusetzen. Das hatte die Meinungsfreiheitsverteidiger auf den Plan gerufen, die es nicht nur unverschämt fanden, dass die Partei die Veranstaltung mitfinanziert hatte, sondern auch, dass sogenannte Männerrechtler auf der Konferenz ihre Thesen nicht hatten verbreiten dürfen. Die folgenden verbalen Auseinandersetzungen waren selbst für die Verhältnisse der Piraten ungewöhnlich heftig und ihre Nachwirkungen halten immer noch an. Der ­Feminismus wurde von manchen als einer der Gründe ausgemacht, warum die Bundestagswahl so eindeutig verloren wurde  – was, getreu dem Parteistil, zu noch heftigeren Streitereien führte, in deren Verlauf anscheinend Schos Satz fiel. Klaus Peukert, Mitglied des Bundesvorstands, sagte der Jungle World, die Partei nehme das »selbstverständlich ernst«, man werde »auch in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden dafür sorgen, dass der Herr seine Drohungen nicht wahrmachen wird«. Auch wenn Schos Äußerung möglicherweise satirisch gemeint sei, könne man sie nicht abtun, »denn wenn sie auch nur dazu führt, dass ein Mitglied Angst bekommt und deswegen nicht zum Parteitag erscheint, dann können wir das natürlich nicht einfach so hinnehmen«. Insider berichten überdies, dass der Landesvorstand Niedersachsen ein Ausschlussverfahren gegen Scho anstrengen werde.

Der Parteitag Ende November dürfte also störungsfrei ablaufen. Gewählt werden neue Vorstandsmitglieder. Viele Piraten hoffen, dass auch Marina Weisband wieder kandidiert, in deren Amtszeit als politische Geschäftsführerin, so die herrschende Meinung, die Partei ihr großes Hoch erlebte. Ob Weisband sich erneut zur Wahl stellen wird, ist jedoch noch keineswegs klar. Und ob sich die verheerenden Umfragewerte mit ihr in der Führung wirklich verbessern würden, ist keineswegs sicher. Schaut man in alten Prognosen nach, hatten die Piraten mit zwölf respektive elf Prozent der Stimmen in Umfragen ihre stärkste Zeit im April und Mai 2012. Damals war allerdings gerade Johannes Ponader zum politischen Geschäfts­führer gewählt worden.