Berthold Seliger im Gespräch über seine Erfahrungen im Musikgeschäft

»Die Künstler müssen wieder lernen, ihre Macht zu nutzen«

Patti Smith, Calexico, Tortoise – in den vergangenen 25 Jahren hat Berthold Seliger mit einigen der bedeutendsten Popmusiker der Gegenwart zusammengearbeitet. Neben seiner Tätigkeit als Konzertagent hat er sich immer wieder lautstark und leidenschaftlich selbst zu Wort gemeldet, kaum ein Phänomen der Musikwelt wurde von seiner Kritik verschont. In seinem Buch »Das Geschäft mit der Musik« zieht Seliger Bilanz und begründet zugleich seine Entscheidung, die eigene Konzertagentur nach einem Vierteljahrhundert zu schließen.

War die Musikbranche zu Beginn Ihrer Laufbahn ein ideell bedeutender Ort für Sie?
Sie ist es immer noch. Es ist doch großartig, mit Musikern arbeiten und die Herstellung von Kunst ermöglichen zu dürfen. Wie kriegt man etwas finanziert, das ein Inhalt ist? Wie rechnet sich eine Tournee so, dass der Künstler davon leben kann? Diese Aufgabenstellung finde ich im Musikgeschäft sehr interessant.
In Ihrem Buch beschäftigen Sie sich unter anderem mit staatlich subventionierter Popmusik. Liegt die Verachtung für den »Staatspop«, wie Sie es nennen, auch darin begründet, dass Sie von der Politik ins Musikgeschäft gewechselt sind?
Der Staatspop stellt in der Realität kein großes Problem dar, bundesweit fließen hier nur ein paar Millionen Euro. Geld übrigens, das letztlich nicht den Künstlern, sondern den Besitzenden zugutekommt. Mietzahlungen sind ein passendes Beispiel: Die herrschende Politik versäumt es, günstiges Wohnen in interessanten Stadtteilen zu ermöglichen. Wir wissen alle, dass bezahlbare Mieten eine der besten Förderungen von Zeitkultur darstellen – die Mieten steigen trotzdem drastisch. Wenn Künstler nun also ein paar hundert oder auch ein paar tausend Euro staatliche Förderung erhalten, können sie dieses Geld gleich wieder bei den Eigentümern ihrer Mietwohnungen für die drastisch steigenden Mieten abliefern. Der Staatspop ist also nicht mehr als eine Umverteilungsmaßnahme zugunsten der Besitzenden, vor allem aber stellt er ein ideologisches Problem dar, und zwar für die Künstler. Denn der Künstler sollte gesellschaftliche Entwicklungen verfolgen und Perspektiven an­bieten, die in aller Regel nicht aus der Mitte der Gesellschaft kommen, sondern von ihrem Rand. Er sollte Kommentare liefern, auch gegen die Gesellschaft. Und ich kann doch nicht gegen den sein, von dem ich mich und meine Kunst ­finanzieren lasse – auch der Hofnarr beißt natürlich nicht die Hand, die ihn füttert.
Es scheint mir eine mittelständische Denkweise zu sein, dass der Staat alles irgendwie regeln muss. Die Idee also: Ich möchte zwar die Distinktionsgewinne aus dem Pop herausziehen, und irgendjemand, nicht ich, muss das auch bezahlen. Meiner Meinung nach kann es nicht die Aufgabe der Gesellschaft sein, den Bürgerkindern ihren Distinktionsvorteil zu subventionieren. Nein, Kultur muss unabhängig und ausdrücklich staatsfern sein. »Outside the society« singt Patti Smith über ihre Rolle als Künstlerin. Eine Rolle, die schon Schubert in der Winterreise beschrieben hat: »Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh’ ich wieder aus.«
Vernünftige Rahmenbedingungen für Ihre Arbeit und die der Künstler müssen trotzdem geschaffen werden. Kommen wir auch im Popgeschäft nicht am Sozialstaat vorbei?
Die Rahmenbedingungen muss es geben, sie sind ganz logisch und immer die gleichen: Es muss günstige Mieten geben, weil Popmusiker in der Regel kein hohes Einkommen haben. Dann brauchen wir eine funktionierende Künstlersozialkasse, schließlich liegt das durchschnittliche Nettoeinkommen der unter 30jährigen Popmusiker unter 10 000 Euro im Jahr. Und diese Rahmenbedingungen muss der Staat schaffen. Aber das gilt ja im großen und ganzen nicht nur für Künstler.
Nur selten reicht das Einkommen den Künstlern zum Überleben. Das Arbeitsamt vermittelt in der Regel kein Engagement in ihrem Berufsfeld, sondern einen Fulltime-Job im Callcenter. Gibt es Lösungsansätze?
Tatsächlich sind fast alle Künstler, die ich kenne, hart arbeitende Menschen. Und doch muss man von dieser Arbeitsideologie runterkommen: Ein Lob der Faulheit! Was mir vorschwebt, ist ei­ne Mindestgage, wie es sie in Frankreich gibt: Ein Musiker verdient 80 Euro netto pro Konzert. Das habe ich mal im Rahmen einer Anhörung im Berliner Senat vorgetragen und wurde nur belächelt: »So wenig?« Ich sagte denen: »Macht euch nichts vor, damit wäre bestimmt 90 Prozent der Musiker geholfen.« Wenn du pro Jahr 60 Konzerte nachweisen kannst, dann sollte dir eine Grundsicherung für die Nichtauftrittszeit gewährleistet werden, wie in Frankreich.
Junge aufstrebende Musiker denken bei ihrer Karriereplanung aber immer noch eher an einen Plattenvertrag als an Mindestgagen.
Es sind eben hauptsächlich Mittelstands-Kids, die von der modernen Welt wenig verstanden haben, aber unbedingt Mami und Papi mit einem echten Plattenvertrag beweisen wollen, dass sie es geschafft haben. Mich stört die Denkweise der jungen Musiker: »Wir können von unserer Kunst nicht richtig leben, weil Spotify uns nicht ordentlich bezahlt.« Das ist vollkommener Bullshit. Die erfolgreichen Künstler verdienen immer noch verdammt viel, die mittleren können auch okay von der Musik leben. Die jungen Künstler, die radikalere Sachen machen und in Nischen unterwegs sind, die verdienen tatsächlich wenig. Diesem Problem müssen wir uns stellen und ihnen eine gewisse soziale Absicherung gewährleisten.
Aber wäre nicht eine Welt wünschenswert, in der ein Künstler nicht erst 60 Auftritte nachweisen muss, um sein Mindesteinkommen gewährleistet zu bekommen?
Natürlich. Ich bin letztlich Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens, auch wenn es da berechtigte Zweifel gibt. Aber mit welcher Logik darf man erwarten, dass die »Schlecker-Frau«, wie man heute ekelhafterweise zu sagen pflegt, ihrer Lohnarbeit unter schrecklichen Bedingungen nachgehen muss, während der Küns­tler sein Einkommen einfach so gewährleistet bekommen soll? Solange wir in dieser kapitalistischen Gesellschaft leben, in der es große Ungerechtigkeiten in der Lohnarbeit gibt, muss auch der Künstler seinen Anspruch auf Grundab­sicherung irgendwie rechtfertigen. Also muss er zunächst gewisse Kriterien akzeptieren. Es sollten sich endlich erfahrene Leute an einen Tisch setzen und diese Kriterien bestimmen.
Das klingt nach einer schrecklichen Expertenrunde.
Genau, damit will man eigentlich nichts zu tun haben. Man weiß instinktiv, dass es absoluter Quatsch ist, in dieser Sache auf den Staat zu bauen. Am Ende kann man doch einem Künstler nur raten: »Mach gute Musik, erspiele dir ein Publikum, dann hast du irgendwann dein Auskommen.«
In Ihrem Buch beschäftigen Sie sich auch mit dem globalen Livemarkt. Können sich kleine Künstler heute überhaupt noch unabhängig von den Branchenriesen ein Publikum erspielen?
Für den Künstler sind die gegenwärtigen Bedingungen besser als früher. Das mag hinsichtlich der globalisierten Verhältnisse der Unterhaltungsindustrie zunächst einen Widerspruch darstellen. Aber durch die Digitalisierung sind ein paar Türen aufgegangen. Als kleiner oder mittlerer Künstler, der sich ein Publikum erspielen will, ist es eigentlich heute einfacher als je zuvor.
Inwiefern?
Man braucht eigentlich keine Zwischenhändler mehr. Interessanterweise sind es ja immer die Mittelsmänner, die das meiste Geld verdienen, auch in der Musikindustrie. Der Gründer von CTS-Eventim wird seit Juni 2013 erstmals in der Forbes-Liste der Dollarmilliardäre geführt. Er ist also mit dem einen Geschäft, in das er 1996 eingestiegen ist, nämlich dem Verkauf von Konzerttickets, in 17 Jahren zum Milliardär geworden. Dass an dem System etwas faul sein muss, ist doch klar. Denn die Künstler, für die seine Firma Tickets verkauft hat, sind natürlich nicht Milliardäre geworden.
Das Versprechen, im Internet könne jeder in seiner Nische geschäftlich erfolgreich sein, hat sich nicht erfüllt. Wir haben es auch online fast ausschließlich mit gigantischen Marken zu tun. Keiner redet über Streaming-Dienste, alle nur noch von Spotify.
Das Phänomen hat man in der digitalen Welt noch stärker als in der analogen, weil das Internet von Plattformen wie Spotify lebt. Und es scheint sich immer nur eine Anwendung zu behaupten: iTunes, Google, Facebook, Spotify. Die Benutzerfreundlichkeit ist die Schimäre unserer Tage, die Plattform mit dem bequemsten Service setzt sich durch. Wer den Preis dafür zahlt, ist unwichtig. Die meisten Menschen kennen die Alternativen zu diesen Produkten nicht beziehungsweise nicht mehr. Und natürlich entwickelt sich – wie beim Beispiel des Ticketverkaufs – rasend schnell eine Monopolstellung. Die Konzerne sind im Postkapitalismus eben im Imperiengeschäft, wie Walt es in der Serie »Breaking Bad« formuliert. Man kommt an ihnen in gewissen Bereichen nicht mehr vorbei und muss sein Ticket eben bei Eventim kaufen.
Es wäre die Aufgabe der Künstler, das zu ändern. Ich beschreibe in meinem Buch einige Beispiele, wo Künstler die Höhe der Ticketgebühren, aber auch die Höhe des Ticketpreises festlegen. Obwohl die Künstler viel mehr verdienen könnten, wenn sie die Ticketpreise höher ansetzen würden. Das darf man nicht unterschätzen: Die Künstler haben die eigentliche Macht! Niemand wird dafür bezahlen, den Boss einer Plattenfirma oder eines Ticketing-Konzerns auf der Bühne zu sehen. Die Künstler ermöglichen das Musikgeschäft, ohne sie findet es nicht statt. Nur müssen die Künstler wieder lernen, diese Macht zu nutzen und für ihre Interessen zu kämpfen.
Und kaum ein Pop-Feuilletonist beschäftigt sich gerne mit Konzernstrategien. Liegt es daran, dass alle nur Lady Gaga oder Kanye West zum Essen treffen wollen?
Innerhalb der Musikindustrie gibt es eine Art Schweigegelübde darüber, wie man Geld verdient. Dafür muss es einen Grund geben, anscheinend wird ein Teil des Geldes auf unse­riöse Weise verdient. Darüber will niemand reden. Es gibt tatsächlich kaum Journalisten, die das Geschäftsmodell der Musikbranche hin­terfragen. Nehmen wir das tolle Beispiel der Band Grizzly Bear, deren Mitglieder kürzlich darüber gejammert haben, dass sie trotz ihrer Chart-Erfolge nicht mehr als ihre Zahnärzte verdienen. Das wurde dann von der Süddeutschen Zeitung bis Visions nachgeplappert. Im Spiegel habe ich neulich gelesen: Ein Zahnarzt verdient durchschnittlich 170 000 Euro im Jahr – finde ich eine ganze Menge. Ich kann von 30 bis 40 000 Euro Jahresgehalt schon ganz ordentlich leben. Der Chef der Gema verdient allerdings 484 000 Euro, die Kanzlerin wiederum nur 230 000 Euro. Anstatt Relationen zu betrachten, wird lieber die Aussage einer Band unkritisch nachgebetet. Niemand hinterfragt, wie die Künstler genau bezahlt werden.
Werden im Pop ausschließlich Alibidiskussionen geführt?
Natürlich, es ginge sonst um die großen Fragen nach gerechter Verteilung und gerechtem Lohn. Aber dass ausgerechnet Spotify mich reich machen soll als Künstler, oder Amazon, oder iTunes oder wer auch immer, das ist doch eine absurde Vorstellung. Das sind doch alles kapitalistische, global agierende Konzerne, deren Hauptinteresse nun einmal ihr Profit ist. Spotify hat genauso wenig Interesse an Kultur oder an gerechter Bezahlung von Künstlern wie die großen Plattenkonzerne. Man kann doch nicht ernsthaft so tun, als ob diese Unternehmen Philanthropen sind, die aus kulturellem Interesse Künstler fördern.
Das Problem ist doch – egal ob bei Streaming-Diensten oder bei alten Plattenverträgen –, dass wir überall das Gema-System haben. Also der, der am meisten gehört wird, bekommt auch am meisten ausgeschüttet. Diese Streaming-Unternehmen, von Spotify bis zum neuen Videodienst Vevo, genießen in den ersten beiden Jahren Sonderregelungen, nämlich einen Pauschalvertrag mit der Gema. Das heißt, es wird nie detailliert abgerechnet. Das Geld wird einfach nach der bekannten, skandalösen Gema-Quote pauschal verteilt. Der kleine Künstler bekommt so gut wie nichts, während die Gema-Großkünstler wieder einmal über die Maßen profitieren.
Reden wir doch über die Hintergründe der Streaming-Dienste. Wem dienen die einschlägigen Plattformen?
Die Major-Labels sind auf der Suche nach neuen Vertriebsmöglichkeiten. Den digitalen Vertriebsweg hatte man in den vergangenen zehn Jahren fast ausschließlich Apple überlassen. Jetzt hat man das kapiert, und siehe da: An Spotify sind die Major-Labels beteiligt, genauso wie Coca-Cola; Vevo gehört Universal und Sony und übrigens auch der Abu Dhabi Media Company. Abu Dhabi ist Teil der Vereinigten Arabischen Emirate, ein feudaler Shariastaat – womit einige der größten Gangster also traut vereint wären. Und das Copyright ist das Öl des 21. Jahrhunderts! Streaming-Dienste sind Konstruktionen unter Mithilfe der Major-Labels, um deren Produkte wieder besser verkaufen zu können. Man sollte hier Gilles Deleuzes Gedanken der Kon­trollgesellschaften verfolgen. Kontrolle, das »neue Monster«, »ultra schnelle Kontrollformen mit freiheitlichem Aussehen«, darum geht es letztlich. Die Narration lautet: »Du genießt totale Freiheit!« In Wirklichkeit hast du aber immer eine Käseglocke über dir, du bleibst unter Kontrolle. Sagen wir, ein Streaming-Dienst stellt dir 25 Millionen Musikstücke zur Verfügung, aus denen du wählen kannst. Was ja auch wirklich toll ist. Aber eigentlich will man dir damit Mainstream-Ware verkaufen, das Immergleiche, die Produkte der Industrie. Sie wollen dich an die Hand nehmen mit ihren Algorithmen, die dir sagen: »Wenn du Künstler A magst, wirst du Künstler B lieben.« Du wirst dich so immer innerhalb der Massenwaren der Kulturindustrie aufhalten, innerhalb der Kontrollgesellschaft, die die Bewusstseinsindustrie für dich gebastelt hat.
Aber wieso lassen wir uns gern an die Hand nehmen? Weil wir Angst haben?
Die Angstbesessenheit der Mittelschicht in Deutschland ist absurd, aber auch ein interessantes Phänomen. In den nächsten Jahren werden Billionen Euros vererbt, und trotzdem fürchten sich alle wahnsinnig. Sie fahren diese ganzen bescheuerten SUVs, gated communities auf Rädern. Die Kinder müssen auf Privatschulen gebracht werden, nicht weil sie so besser ausgebildet werden, sondern weil das Netzwerk dort besser funktioniert.
Die jungen Leute haben über drei Jahrzehnte Neoliberalismus erfahren. Absolventen der Popakademie gründen Firmen zusammen mit Werbern. Es wird dort nicht nur anders ge­redet – Werberjargon und Betriebswirtschaftssprache treffen aufeinander –, über Musik wird kaum noch nachgedacht. Wichtiger wird der schnelle Deal für die nächste McDonalds-Werbung oder eine eigene H&M-Modelinie, weil man weiß: Der Künstler ist eigentlich nicht gut genug, um sich länger als ein paar Jahre am Markt zu halten, man muss da in kürzester Zeit rausholen, was irgend geht.
Sie sprechen die McDonalds-Kampagne mit Cro und Konsorten an. In den neunziger Jahren hätte man sie – vor allem unter den Fans – noch als Skandal gewertet. Heute träumen junge Leute vom eigenen Youtube-Channel, über dessen Werbeeinnahmen man sein Leben finanzieren kann …
Aber das schaffen nur ganz wenige. Im Grunde ist das so, wie auf den Lottogewinn zu hoffen.
Aber Popstar zu werden gleicht von der Wahrscheinlichkeit her auch einem Lottogewinn, oder?
Ja. An gegenwärtigen Popstars lässt sich viel illustrieren: Heute will man Popstar werden, weil man damit Geld verdienen kann. Noch in den Siebzigern oder Achtzigern gab es andere Motive. Es ging darum, Leute für die eigene Musik zu begeistern – oder sogar die Gesellschaft zu verändern! Kein Wunder, dass Künstler wie Tom Waits und Adam Yauch keine Werbe-Deals machen. Oder Neil Young, der einmal gesungen hat: »Ain’t singing for Pepsi, ain’t singing for Coke«. Heute ist ein Popstar jemand, der alles mitmacht. Der Sponsoringdeal ist manchmal schon unterschrieben, bevor die Musik veröffentlicht wird.
Weil Werbeverträge, zum Beispiel mit Telefon­anbietern, einem jungen Künstler häufig eine größere Öffentlichkeit schaffen, als es die Industrie über die klassische Radiolandschaft vermag.
Aber der Marktwert der Künstler sinkt oft genauso schnell, wie er gestiegen ist. Patti Smith hat das mal sehr schön auf den Punkt gebracht: »Build a good name! Keep your name clean. Don’t make compromises« – geh sorgsam mit deinem Image um, du hast nur dieses eine! Die Leute, die dich verkaufen – ob Plattenfirmen, Booking-Agenten oder Manager –, die stehen nicht auf der Bühne, es kommt ihnen nicht auf ihren Namen, ihr Image an. Nachdem sie dich gemolken haben, melken sie den nächsten. Als Künstler bleibst du dagegen auf ewig derjenige aus dem McDonalds-Spot.
Es wäre wundervoll, wenn sich dieses Patti-Smith-Zitat nicht nur Künstler, sondern alle Menschen zu Herzen nehmen würden.
Dann hätten wir eine andere Welt. An dieser Stelle möchte ich gerne noch auf das Glück eingehen. Ich glaube nicht, dass du mit irgendetwas, das du für Geld kaufen kannst, glücklich werden kannst. Die Leute sind irrsinnig konsumistisch im Internet unterwegs, leiden aber gleichzeitig an Burn-out und Selbstoptimierungswahn. Diese ganzen Kleinbürger, die als Hipster in Erscheinung treten, sind doch hochgradig unglücklich, ihre Beziehungen funktionieren nicht mehr.
Ich beschreibe in meinem Buch das Monterey International Pop Festival, eine Veranstaltung, die von den Künstlern 1967 selbst organisiert wurde. Vielleicht kennen Sie diesen Film, in dem man die ganzen Größen sieht: Jimi Hendrix, Janis Joplin und so weiter. In diesem Film ist keine Werbung zu sehen, kein Sponsoring, kein Security-Personal, kein Backstage-Bereich. Jimi Hendrix geht aus dem Publikum auf die Bühne und wieder zurück ins Publikum. Keine Distanz, kein Oben und Unten. Dahin müsste man es wieder zurückdrehen, zu einem Festival ohne Coca-Cola und Smartphone-Terror, ohne dass jemand sein Scheißhandy hochhält und ständig irgendwas mitfilmen muss. Gleich unter Gleichen, keiner kann sich mit seinem Geld einen besseren Platz kaufen. Ich würde behaupten, wenn du von so einem Festival nach Hause kommst, bist du ein glücklicherer Mensch, als wenn du zehnmal zum Berlin-Fes­tival gegangen bist. Das ist eine These. Und wie man das, was dahinter steht, politisch nennt, wissen Sie selbst.

Berthold Seliger liest aus »Das Geschäft mit der Musik. Ein Insiderbericht« (Edition Tiamat):
11.12.2013 Leipzig, Werk 2
17.01.2014 CH-Basel, Rosstall 2/Kaserne Basel
19.01.2014 CH-Zürich, El Lokal
21.01.2014 CH-St. Gallen, Palace
23.01.2014 Geislingen, Rätschenmühle
24.01.2014 A-Ebensee, Kino
25.01.2014 A-Wels, Schlachthof
29.01.2014 Düsseldorf, zakk
30.01.2014 Köln, King Georg