Die CDU und die deutsche Autoindustrie

Im Dienste der Autolobby

Die Bundesregierung kämpft vehement gegen strengere Abgasnormen in der EU, von denen vor allem deutsche Autohersteller betroffen wären. Kürzlich erhielt die CDU eine hohe Spendensumme von Großaktionären des Autoherstellers BMW.

Sie sind protzig, schnell und verbrauchen viel Benzin. Deutsche Autos sind weltweit begehrt, ihre Hersteller jubeln über steigende Verkaufszahlen. Alles wäre für sie wunderbar, gäbe es nicht ein gravierendes Problem: Die großmotorigen Modelle haben einen hohen Energieverbrauch, entsprechend fallen ihre CO2-Emmissionen aus. Seit geraumer Zeit kämpft daher die deutsche Autolobby gegen Pläne der EU, die Grenzwerte für den Abgasausstoß anzuheben. Eine Einigung schien greifbar nahe, denn erst im Juni wurde in Brüssel ein Kompromiss ausgehandelt. Dann intervenierte die Bundesregierung und verhinderte Anfang voriger Woche die Abstimmung.

Nach den Plänen der EU sollten Neuwagen ab 2020 im Durchschnitt nur noch 95 Gramm des klimaschädlichen Gases pro gefahrenem Kilometer ausstoßen dürfen. Bis 2015 gilt noch ein Grenzwert von 130 Gramm. Für die deutsche Autoindustrie sind die EU-Normen ein Problem. Vor allem die Hersteller von sogenannten Premium-Limousinen wie Daimler, BMW, Porsche und Audi rechnen mit hohen Kosten, falls sie ihre Produktion umstellen müssen. Ihre Lobbyisten weisen darauf hin, dass die Grenzwerte außerhalb Europas deutlich höher sind. Japanische Unternehmen müssen den Ausstoß ihrer Wagen nur auf 105 Gramm reduzieren, in den USA sind es sogar nur 121 Gramm.
Allerdings präsentiert sich die Bundesregierung gerne als Vorreiter, wenn es um die Energiewende und den Klimaschutz geht. »Mit entschlossenem Handeln können wir eine Erwärmung um mehr als zwei Grad noch verhindern«, tönte Umweltminister Peter Altmaier (CDU) noch im Sommer, als der Weltklimarat IPCC seinen Bericht vorstellte. Doch wenn es darauf ankommt, geht es offenbar vor allem um die Interessen jener, die maßgeblich für die Schadstoffemission verantwortlich sind. Die Verhandlungen in Brüssel müssten zwar den Umweltschutz voranbringen, aber zugleich »die Interessen auch der europäischen Wirtschaft gegenüber Wettbewerbern in anderen Ländern« respektieren, sagte Altmaier nun in der vorigen Woche.
Da wirkte es wie bestellt, dass die CDU kurz nach der umstrittenen Entscheidung eine Großspende der BMW-Anteilseigner Johanna Quandt und zweier ihrer Kinder in Höhe von 690 000 Euro erhielt. »Die Familien Quandt und Klatten von BMW kaufen die Klimapolitik von Merkel«, empörte sich Jürgen Trittin (Grüne), vom »krassesten Fall von gekaufter Politik seit langem«, sprach der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst. Aber auch die Grünen erhielten von Daimler bereits eine Spende in Höhe von 165 000 Euro und nutzten kostenlos Fahrzeuge von BMW.

Tatsächlich ist die CDU mit der Autoindustrie eng verbunden. Der ehemalige Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) ist seit 2007 Präsident des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA). Für Empörung sorgt derzeit auch der geplante Wechsel des Staatssekretärs im Kanzleramt, Eckart von Klaeden, der demnächst Cheflobbyist bei Daimler werden will. Nach Informationen des Spiegel prüft die Staatsanwaltschaft derzeit, ob ein Ermittlungsverfahren gegen den CDU-Politiker wegen Vorteilsgewährung in Zusammenhang mit dem Wechsel zu Daimler einge­leitet werden kann.
Kompromittierende Verbindungen zur Auto­industrie sind jedoch nicht nur bei der amtierenden Regierung auffällig. Während der rot-grünen Koalition präsentierte sich der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) unverhohlen als »Autokanzler« und setzte sich vehement für die Interessen des VW-Konzerns ein. Immerhin ist die Autobranche der wichtigste Industriezweig in Deutschland und beschäftigt rund 750 000 Menschen. Nimmt man die abhängigen Zulieferunternehmen dazu, sind es mehrere Millionen. Die Interessen der mächtigen Branche gehören daher faktisch zu Staatsräson, unabhängig davon, welcher Konzern nun welche Summe an die jeweilige Regierungspartei spendet.
Dass die einflussreiche Lobby die europäische Abgasnorm vorerst verhindern konnte, ist daher nicht verwunderlich. Für sie steht viel auf dem Spiel. Seit mehreren Jahren tobt in Europa ein harter Kampf um Marktanteile. Viele Wettbewerber stehen am Rande des Ruins, die Absatzzahlen gehen seit langem kontinuierlich zurück. Besonders französische und italienische Unternehmen, die vorwiegend Kleinwagen produzieren, sind davon betroffen. Lange galten ihre Fahrzeuge wegen des niedrigen Verbrauchs und der geringen Emissionen als vorbildlich. Ihnen käme die EU-Norm durchaus entgegen. Deutsche Hersteller kämpften hingegen gegen das Image an, mit ihren schweren und teureren Karossen die Anforderungen der Zeit verpasst zu haben.
Das änderte sich mit dem Beginn der Eurokrise. Seither gehen die Verkäufe französischer Marken, aber auch des italienischen Herstellers Fiat stark zurück. Deren wichtigste Absatzmärkte in Südeuropa brachen in Folge der dramatischen Wirtschaftskrise ein. »Arbeitslose sind keine guten Autokäufer und deshalb geht die europäische Autoindustrie durch ihr schwerstes Jahr seit der ersten Ölkrise«, heißt es dazu in dem Branchenmagazin Automobil Produktion. Einer Studie der Unternehmensberatung Alix Partners zufolge arbeitet gegenwärtig mehr als die Hälfte aller europäischen Autowerke unwirtschaftlich. In Italien sind die Fabriken derzeit nur zu 46 Prozent aus­gelastet, in Frankreich zu 62 und in Spanien zu 67 Prozent. Um profitabel arbeiten zu können, müssten sie mindestens zu 70 bis 80 Prozent ausgelastet sein, schreibt Alix Partners.

Viele Hersteller reagierten darauf mit hohen Preisabschlägen, allen voran deutsche Firmen. »Bei der Preisgestaltung gibt es ein Blutbad. Das ist ein Blutbad bei den Margen«, wetterte im vorigen Jahr Sergio Marchionne, der Chef des italienischen Autokonzerns Fiat, in der New York Times. Er warf dem deutschen Autohersteller VW vor, eine mörderische Rabattschlacht anzuzetteln. Auch andere deutsche Unternehmen nutzten die Krise, um mit aggressiven Rabatten Marktanteile zu gewinnen. So stieg der Marktanteil der deutschen Autohersteller einer Untersuchung der Unternehmensberatung Ernst &  Young zufolge zwischen 2009 und dem ersten Halbjahr 2013 von 31 auf 37 Prozent. Die Anteile der französischen, italienischen und US-amerikanischen Konzerne gingen in Europa von insgesamt 50 auf 42 Prozent zurück. Während Frankreich derzeit rund 40 Prozent weniger Autos als noch vor zehn Jahren produziert, sind es in Deutschland etwa 15 Prozent mehr. Allein der französische Konzern PSA Peugeot-Citroën musste deshalb im vorigen Jahr einen Verlust von fünf Milliarden Euro verkraften. Entlassungen und Werkschließungen sind die Folge. In Europa finde ein »blutiger Kampf um Marktanteile statt«, bei dem die deutschen Konzerne gestärkt aus der Krise hervorgehen, während es für andere »ums Überleben« gehe, schreiben Ernst & Young.
Die deutschen Hersteller profitierten davon, dass sie schon vor dem Beginn der Eurokrise neue Absatzmärkte erschlossen hatten. Wurde vor zwei Jahrzehnten nur rund ein Viertel der Neuwagen exportiert, so verkaufen heute Mercedes, Porsche und BMW die meisten Autos nach China, in die USA, nach Indien und Russland. Dort sind die teuren Wagen sehr gefragt, die Verkäufer können jährlich neue Rekordzahlen präsentieren. Hinzu kommt, dass das Verhältnis zwischen der Produktivität und der Lohnentwicklung sich bei den deutschen Herstellern günstiger entwickelt hat als bei der europäischen Konkurrenz.

Die nationalen Regierungen ergreifen daher sämtliche Mittel, um ihre Industrie zu protegieren. In Frankreich wird die Autobranche mit hohen Subventionen unterstützt. Und auch die Debatte über Abgasnormen und Klimaschutzziele tragen dazu bei. Die französische Regierung nutzte beispielsweise den Streit über ein neues umstrittenes Kältemittel für Klimaanlagen, um in Frankreich einen Zulassungsstopp für einige Mercedes-Modelle durchzusetzen.
Die Bundesregierung wiederum richtet sich nach den Interessen der deutschen Autolobby. Diese gibt sich nach ihrem jüngsten Erfolg in Brüssel selbstbewusster denn je. So forderte vorige Woche Dieter Zetsche, der Vorstandsvorsitzende von Daimler, dass die Autoindustrie bei den Verhandlungen mit der EU direkt beteiligt werden solle. Vermutlich würde er die neuen Emissionsgrenzen gerne gleich selbst festlegen.