Kein Platz für Flüchtlinge in Bandenburg?

Kein Platz in Brandenburg

Die Unterbringung von Flüchtlingen in Brandenburg ist katastrophal. Rassistische Proteste nehmen zu.

Seit Monaten kann das Land Brandenburg die Mindeststandards für Flüchtlingsunterbringung nicht einhalten. Im Erstaufnahmelager Eisenhüttenstadt, das nur als Durchgangsstation gedacht ist, liegt die maximale Auslastung bei 500 Plätzen. Derzeit leben dort 745 Menschen. Provisorisch werden Container aufgestellt, mittlerweile wird auch die Turnhalle zweckentfremdet. »Seit ungefähr drei Wochen mussten wir sie jetzt mit Betten aus dem Katastrophenschutzlager bestücken. Und peu à peu haben wir jetzt alle alleinreisenden Männer, die hier ankommen, in diese Turnhalle gelegt. Sie sehen jetzt momentan 50 Betten, alles voll belegt«, sagte Frank Nürnberger von der Erstaufnahmestelle dem RBB.
Anstatt der sechs Quadratmeter Platz, die jedem Asylbewerber zustehen, gibt es in Eisenhüttenstadt derzeit gerade mal zwei Quadratmeter. In Zimmern mit bis zu zehn Betten warten die Flüchtlinge auf die Unterbringung in den Landkreisen. Laut Gesetz soll das höchstens drei Monate dauern. Doch die Landkreise spielen oft auf Zeit.

Acht Landkreise stehen auf einer »Schwarzen Liste« der brandenburgischen Landesregierung, sie alle haben ihre Aufnahmequote nicht erfüllt. Auch die Landeshauptstadt Potsdam steht auf der Liste. Der Landkreis Märkisch-Oderland nahm bisher gerade einmal halb so viele Asylbewerber auf wie vorgeschrieben. Für den stellvertretenden Landrat Lutz Amsel (Linkspartei) ist alles eine Frage der Kosten und des Aufwands. »Nach vier Jahren fallen die Asylbewerber in den Kosten dann an den Landkreis. Das heißt, je mehr ich aufnehme, desto mehr Kosten habe ich natürlich dann auch«, sagte er dem RBB. Nach dieser Devise handeln viele Landkreise in Brandenburg. Aus der Not heraus bringt das Land Brandenburg seit Ende September über 30 Flüchtlinge auch im Abschiebegefängnis des neuen Flughafens Berlin-Schönefeld unter.
Um diese Zustände zu ändern, fordert die brandenburgische Landesregierung die Kommunen auf, rasch Platz für angemessene Unterkünfte bereitzustellen. Ansonsten werde sie Platz schaffen. Das Sozialministerium hat neun Landkreisen und kreisfreien Städten Fristen gesetzt, eine bestimmte Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen. Aber dort, wo die Landkreise neue Kapazitäten zur Unterbringung anbieten, kommt es oft zu Protesten der Anwohner, gelenkt von Neonazis.

In Pätz, einem Ortsteil von Bestensee, mobilisiert eine Bürgerinitiative mit dem Slogan »Nein zum Heim in Pätz – Wir stellen uns quer« gegen die Unterbringung von 154 Flüchtlingen im Technologie- und Bildungszentrum (TBZ). Die Initiative möchte verhindern, dass Anfang kommenden Jahres die ersten Flüchtlinge in das nicht genutzte Zentrum einziehen. Die Kommentare auf der zugehörigen Facebook-Seite kennt man schon aus Marzahn-Hellersdorf zur Genüge: »Wir sagen klar: Stoppt die Asylflut! Deutsches Geld zuerst für deutsche Interessen!« Oder: »Ich will eine sichere Zukunft für mein Kind und nicht, dass es zwischen Flüchtlingen und Schmarotzern aufwachsen muss.« Oder einfach: »Zerlegt das TBZ.« Bei einer Informationsversammlung für die Bürger von Pätz drohten vorige Woche nicht wenige Anwohner mit einem Pogrom. »Bis es wieder brennt« war ebenso zu hören wie der Zwischenruf, dass das Asylbewerberheim besser in Hoyerswerda oder Rostock aufgehoben sei. Hinter den Drohungen steckt noch mehr: Im November 1992 wurde im benachbarten Dolgenbrodt das neu errichtete Asylbewerberheim kurz vor dem Bezug durch Brandstiftung vollständig zerstört. Die Täter konnten erst Jahre später ermittelt werden, zudem stellte sich heraus, dass mehrere Bürger des Ortes Geld gestiftet hatten, um die Brandstifter anzuheuern.
Die rund 150 Neonazis aus Berlin und Brandenburg, die vorige Woche zur Veranstaltung nach Pätz angereist waren, mussten sich vor der Tür versammeln, da nur Anwohner zugelassen wurden. Auf der zugleich stattfindenen Kundgebung tönte der NPD-Kreistagsabgeordnete Frank Knuffke: »Der Kampf beginnt erst heute! Wir lassen nicht nach. Wir werden trotzdem kämpfen gegen dieses Scheißasylantenheim.«

In Premnitz blieb es nicht nur bei Ankündigungen. Mitte September versuchten dort Unbekannte, das geplante Flüchtlingsheim in einer ehemaligen Schule anzuzünden. Die Täter stellten mehrere Mülltonnen, die zur Abfuhr auf der Straße standen, vor den Eingang des ehemaligen Schulegebäudes und zündeten sie an. Es kam nur zu einem leichten Schachschaden. Die Botschaft war aber klar. Seit der Landkreis Havelland beschlossen hat, in einem Wohngebiet die Unterbringung der Flüchtlinge zu organisieren, versucht die Stadt, dies zu verhindern. Stattdessen will sie die Flüchtlinge in einer abgelegenen Kita-Ruine oder einem Wohnblock im Gewerbegebiet unterbringen. Neonazis befestigten an der ehemaligen Schule ein Transparent mit der Aufschrift: »Asylheim, nein danke!!! Nistet Euch woanders ein. Heimreise statt Einreise«. Anfang September kam es dann zum Aufmarsch. Unterstützt von Mitgliedern der freien Kameradschaften demonstrierte die NPD gegen das geplante Flüchtlingsheim.
Dass es auch anders geht, beweist seit kurzem die Stadt Potsdam. Sie plant bis zu 70 Asylsuchende in zwei Wohnblöcken des städtischen Wohnungsunternehmens unterzubringen. Das wäre auch in Premnitz möglich. Die Wohnungsbaugesellschaft Premnitz (PWG) schließt nicht aus, dass man leerstehende Wohnungen zur Verfügung stellt. »Ich sehe alternative Möglichkeiten zu der jetzt geplanten Gemeinschaftsunterkunft, die den Landkreis nicht überfordern würden«, sagte der Geschäftsführer der PWG der Märkischen Allgemeinen. Bisher fehle nur der politische Wille dazu.