Die Uefa plant eine Länderteam-Liga. Jan Tölva würde das Ende der Freundschaftsspiele begrüßen

Wer braucht schon Freundschaftsspiele?

Michel Platini hat oft außergewöhnliche Ideen, eine Liga der Nationalmannschaften einzurichten, ist eine solche. Eine gute noch dazu. Endlich wäre Schluss mit den »Freundschaftsspielen«.

Zu Michel Platinis sympathischeren Eigenschaften gehört, dass er immer frei heraus sagt, was er denkt, ohne sich dabei groß darum zu scheren, ob das jetzt besonders klug ist oder eher nicht. Eine weitere Eigenschaft, die ihn auszeichnet, ist seine Phantasie. In seiner Zeit als Spielmacher bei Juventus Turin und in der französischen Nationalmannschaft half sie ihm stets, kreative Lösungen für komplizierte Spielsituationen zu finden, und in seinem heutigen Amt als Präsident der Uefa inspiriert sie ihn regelmäßig zu Vorschlägen und Ideen, die allesamt zumindest interessant und oft auch außergewöhnlich sind. Dass dabei nicht alles Gold ist, was wenigstens ein bisschen schimmert, ist naheliegend. Manche seiner Einfälle sind jedoch wahre Geistesblitze – so wie sein neuester Plan, Freundschaftsspiele durch eine Art Liga für Nationalteams zu ersetzen.

Die chronisch phantasielose und ebenso wertkonservative wie fortschrittsfeindliche Fußballwelt stöhnte natürlich sofort auf. »Wir fürchten Veränderungen«, schallt es von überall her. Dabei liegt doch auf der Hand, dass die Umsetzung von Platinis Idee ein wahrer Segen wäre.
Zunächst einmal fällt sofort auf, dass die Idee mehr oder weniger eins zu eins dem Rugbysport entlehnt ist, in dem die Qualifikation zur regelmäßig ausgetragenen Weltmeisterschaft auf europäischer Ebene in etwa so ausgetragen wird, wie es Platini nun für den Fußball vorschwebt. Die oberste Ebene hierbei bilden die »Six Nations«, ein Turnier der sechs erfolgreichsten Rugbynationen Europas. In den entsprechenden Ländern gehören die Spiele der »Six Nations« zu den absoluten Highlights des Sportjahres. Das packende Finale des diesjährigen Turniers zwischen England und Wales brachte der BBC einen Marktanteil von über 38 Prozent. In Wales war das Spiel das dritterfolgreichste Fernsehereignis des noch jungen Jahrhunderts. Warum sollte der Fußball auf ein vergleichbares Großereignis verzichten? Vom Rugby lernen heißt siegen lernen – das ist die Devise.
Dass mit der Einführung eines solchen Ligensystems auch noch das lästige Übel der Freundschaftsspiele abgeschafft würde, ist ein weiteres starkes Argument für Platinis Pläne. Alleine schon der Name! Als wären Deutschland und die Niederlande, Serbien und Finnland oder Island und Moldawien tatsächlich durch ein wie auch immer geartetes Band tief empfundener Freundschaft verbunden. In Wahrheit sind die meisten dieser Spiele nichts anderes als Testspiele, aber würden sie so genannt werden, würden ja noch weniger Menschen zusehen, weil noch offensichtlicher wäre, wie unbedeutend sie eigentlich sind.

Kaum jemand weiß das besser als Michel Platini, der im Laufe seiner Karriere 30 Länderspiele für den französischen Verband absolvierte – darunter mitreißende Klassiker wie das großartige 0:0 gegen die Sowjetunion 1977, das fesselnde 0:0 gegen die Niederlande 1980 oder das nervenaufreibende 0:0 gegen Nordirland 1986. Kein Wunder, dass die Menschen sich an diese Knaller erinnern und nicht an die unbedeutende 4:5-Niederlage im Elfmeterschießen gegen die Bundesrepublik Deutschland im Halbfinale der WM 1982.
Am 27. November 1988 dann lief Platini, der seine aktive Laufbahn bereits im Vorjahr beendet hatte und seit Anfang des Monats Trainer der französischen Nationalmannschaft war, auf Einladung des Emirs für ganze 21 Minuten für die Auswahl Kuwaits in einem Freundschaftsspiel gegen die Sowjetunion auf. Spätestens an diesem Tag dürfte er jeden Glauben an den sportlichen Wert von Freundschaftsspielen verloren haben.
Das stärkste Argument für die Pläne des Vorsitzenden der Uefa ist und bleibt jedoch die simple Tatsache, dass es gar nicht genug Wettbewerbe geben kann, in denen die Auswahl des deutschen Fußballbundes sich in schöner Regelmäßigkeit entweder bis auf die Knochen blamiert oder wenigstens knapp und unbeholfen an den eigenen Ambitionen und den Weltherrschaftsphantasien des ganz unverkrampft patriotischen deutschen Volksmobs scheitert. Die Aussicht auf das fast schon planmäßige Versagen der deutschen Nationalmannschaft gegen europäische Spitzenteams und die verheulten Gesichter der schwarz-rot-geil geschminkten Meute nach der knappen 0:4-Niederlage gegen die Niederlande im letzten Spiel, die den Abstieg aus der Spitzengruppe bedeutet, ruft bei mir jetzt schon eine vorfreudige Erregung hervor, die auch das blamabelste Spiel der DFB-Elf gegen Paraguay niemals hervorbringen könnte.