Die Krise der Deutschen Bank

Das wird nicht billig

Ihr früheres Geschäftsgebaren stürzt die Deutsche Bank in eine schwere Krise.
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Nach Jahren exorbitanter Gewinne sieht es für die Deutsche Bank derzeit nicht sehr rosig aus: Finanzaufsichtsbehörden, Staatsanwälte und geprellte Anleger gehen gegen das Unternehmen vor. Für die Bank mit Hauptsitz in Frankfurt am Main könnte das durchaus teuer werden. Das scheint auch der Unternehmensführung klar zu sein. Derzeit bemüht man sich, Rücklagen zu bilden, um für die zu erwartenden Strafen und Entschädigungszahlungen ausreichend Kapital zur Verfügung zu haben. Dem Geschäftsbericht zufolge belaufen sich die gesammelten Reserven bislang auf 4,1 Milliarden Euro. Darüber hinaus bestehen jedoch noch weitere sogenannte »Eventualverbindlichkeiten«. Hier drohen der Bank noch einmal 1,3 Milliarden Euro an Straf- und Entschädigungszahlungen, für die bislang noch keine Rücklagen gebildet wurden.

Allein in diesem Quartal hat die Bank 1,2 Milliarden Euro an Reserven gesammelt. Das wirkt sich selbstverständlich ganz erheblich auf den Gewinn aus. Lag er im Vergleichsquartal des vergangenen Jahres noch bei 754 Millionen Euro, konnte die Bank in diesem Quartal nur noch 51 Millionen Eu­ro erwirtschaften. Das entspricht einem Rückgang von 94 Prozent.
Dass das Unternehmen derartige Gewinneinbußen hinnimmt, um Rücklagen zu bilden, liegt an der Schwere der Vorwürfe, die international gegen es erhoben werden. Da wäre zunächst der Skandal um die Manipulation der London Interbank Offered Rate (Libor). Das ist der Zinssatz, den eine Bank erheben kann, wenn sie einer anderen Bank kurzfristig Geld leiht. Derzeit sind verschiedene Finanzaufsichtsbehörden dabei, den Vorwurf zu untersuchen, die Deutsche Bank habe sich an solchen Machenschaften beteiligt. Einige geprellte Anleger, die in Finanzprodukte investiert hatten, deren Wertentwicklung sich am Libor orientiert, haben bereits Klage gegen die Deutsche Bank erhoben. In der vergangenen Woche reichte auch das US-amerikanische Finanzunternehmen Fannie Mae, das 2008 verstaatlicht worden war, Klage gegen das deutsche Geldhaus wegen der Libor-Manipulationen ein. Die Kosten, die in dieser Angelegenheit auf die Deutsche Bank zukommen könnten, sind nicht zu unterschätzen. So hat sich beispielsweise die britische Bank RBS, die ebenfalls an den Manipulationen beteiligt war, mit amerikanischen und britischen Behörden auf eine Strafzahlung von 612 Millionen US-Dollar geeinigt. Auch die in der Schweiz ansässige UBS Bank war in die illegalen Geschäfte verstrickt. Sie zahlt an schweizerische, britische und amerikanische Behörden 1,4 Milliarden Schweizer Franken. Wie hoch die Strafzahlung für die Deutsche Bank ausfallen wird, sollten diese Manipulationen nachgewiesen werden, ist derzeit noch unklar. Doch die Beispiele zeigen: Aus der Portokasse wird eine solche Strafe nicht zu zahlen sein.

Auch ihre Geschäfte auf dem in der Finanzkrise zusammengebrochenen amerikanischen Hypothekenmarkt bereiten der Deutschen Bank nun Schwierigkeiten. Verschiedene US-Banken verlangen von dem Geldhaus, es solle die Kredite zurücknehmen, die es vor der Finanzkrise verkauft hat. Von der Deutschen Bank heißt es dazu lediglich, ihr werde vorgeworfen, übliche Gewährleistungen nicht eingehalten zu haben. Die »unerledigten Rückforderungen« werden auf etwa 6,3 Milliarden US-Dollar beziffert. Die Rücklagen der Bank für dieses Problem belaufen sich bisher auf 565 Millionen Euro. Auch in diesem Fall ist derzeit noch nicht geklärt, welche Kosten letztendlich auf das Unternehmen zukommen werden. Die amerikanische Bank JP Morgan, gegen die in dieser Sache ebenfalls ermittelt wurde, muss eine Rekordstrafe von 13 Milliarden US-Dollar an amerikanische Finanzaufsichtsbehörden entrichten.
Damit nicht genug: Die EU-Kommission prüft derzeit, ob die Deutsche Bank im Verbund mit weiteren Großbanken während der Finanzkrise den Markt für Credit Default Swaps, also Kreditderivate, mit denen Ausfallrisiken von Krediten, Anleihen oder Schuldnernamen gehandelt werden, in einem solchen Umfang beherrscht hat, dass ein Wettbewerb nicht mehr ausreichend gegeben war. Sollte sich dies im Zuge der anberaumten Überprüfung bewahrheiten, drohen der Bank auch Strafzahlungen an die EU.
Zu all diesen internationalen Verwicklungen kommt noch die Klage der Erben der Kirch-Gruppe. Die Familie des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch fordert von der Bank Schadenersatz für eine Äußerung ihres ehemaligen Vorstandssprechers und Aufsichtsratsvorsitzenden Rolf Breuer. Dieser hatte in einem Interview die Kreditwürdigkeit des Unternehmers angezweifelt und damit möglicherweise das Ende der Kirch-Gruppe eingeleitet. Die Forderungen der Hinterbliebenen belaufen sich auf einen in der Presse nicht näher bezifferten Milliardenbetrag.
Die Deutsche Bank legt zurzeit aber nicht nur Geld zurück, sie versucht auch, ihren Ruf aufzubessern. So haben die beiden Aufsichtsratsvorsitzenden, Anshu Jain und Jürgen Fitschen, der Bank eine tiefgreifende Veränderung verordnet und dazu eine umfassende Untersuchung eingeleitet. Zehn Monate habe sich die Führungsspitze für die Entwicklung einer neuen »Unternehmenskultur« Zeit genommen, sagte der Co-Vorstandsvorsitzende Fitschen der Presse. Dabei hätten 52 000 Mitarbeiter Fragebögen ausgefüllt, diese seien dann ausgewertet worden. Nebenbei habe sich die Bank noch mit 10 000 anderen Unternehmen verglichen.
Das Ergebnis dieser Untersuchung ist allerdings dürftig im Vergleich zu ihrem Umfang. Heraus­gekommen sind sechs »Werte«, die in der Zukunft im Zentrum des Handelns der Deutschen Bank stehen sollen: »Integrität«, »nachhaltige Leistung«, »Kundenorientierung«, »Innovation«, »Diszip­lin« und »Partnerschaft«. In einem im Intranet der Bank veröffentlichten Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden Chain sagt dieser: »Auf viele Aspekte unserer Kultur sind wir stolz, die wollen wir auch in Zukunft beibehalten.« Dennoch könne nicht ignoriert werden, dass sich die Branche durch die Finanzkrise stark verändert habe. In dem neuen »Wertekanon« befänden sich daher viele Ziele, die die Öffentlichkeit bislang »nicht unbedingt mit der Deutschen Bank in Verbindung bringt«. Da ein solcher Wertewandel nicht über Nacht herbeizuführen sei, bitten die beiden Vorstandsvorsitzenden in der Zwischenzeit um Geduld und Nachsicht. So müsse die Umsetzung der »Werte« noch weiter präzisiert werden. Auch die Anreizsysteme für die Mitarbeiter müssten angepasst werden. »Ein tiefgreifender kultureller Wandel braucht Jahre, nicht Monate«, sagte Chain.

Angesichts der drohenden Schadenersatzforderungen und Strafzahlungen scheint die Einführung einer neuen »Unternehmenskultur« wohl eher ein Programm zur Beruhigung der Öffentlichkeit zu sein. Grund zum Zweifel ist auch die Verstrickung der beiden Vorstandsvorsitzenden Chain und Fitschen in die Skandale. Beide waren bereits unter ihrem Vorgänger Josef Ackermann Vorstandsmitglieder. Insbesondere Chain galt lange als einer der am besten bezahlten Investmentbanker des Unternehmens. Auch Fitschen hat sich in der Krise öffentlich hervorgetan. Als im Dezember 2012 bekannt worde, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Umsatzsteuerbetrug eingeleitet wurde, rief er kurzerhand den hessischen Innenminister an und beklagte sich bei diesem über das aus seiner Sicht rufschädigende Verhalten der Strafverfolgungsbehörden.
Deshalb sagt das neue Renditeziel der beiden Vorsitzenden sehr viel über den angestrebten »Kulturwandel« aus: Zwölf Prozent auf das Eigenkapital sollen es zukünftig werden. Angesichts der veränderten gesetzlichen Regelungen zum Eigenkapital der Banken ist dies durchaus vergleichbar mit dem Renditeziel von 25 Prozent zu Zeiten von Josef Ackermann.