Die Geschichte der K-Gruppen bei den Grünen

Der große Irrtum

An der Gründung der Grünen beteiligten sich viele Linke aus den Neuen Sozialen Bewegungen der siebziger Jahre. Feministinnen, Spontis, K-Grüppler – darunter viele, die sich im Kommunistischen Bund politisiert hatten. Sie träumten von einer radikalen Partei und einer ökosozialistischen Zukunft und wachten in Geschäftsordnungsdebatten und Sachzwängen parlamentarischer Arbeit wieder auf.

Nach der aus Sicht erfolgsverwöhnter Grünenfunktionäre vergeigten Bundestagswahl verließ mit dem bisherigen Bundstagsfraktionsvorsitzenden Jürgen Trittin das letzte prominente ehemalige Mitglied des Kommunistischen Bundes (KB) die Führungsriege der Partei. Von einer kollektiven Willensbildung einer »ökosozialistischen« Strömung, welche inhaltliche Debatten und Entscheidungen der Grünen beeinflusst, kann jedoch schon seit drei Jahrzehnten keine Rede mehr sein. Der politische Einfluss früherer KB-Mitglieder endete schon 1984. Die Vorgeschichte geht so: Ende 1979 war aus dem KB die »Zentrumsfraktion« ausgeschlossen worden, weil die Mehrheit der KB-Mitglieder durch deren Strategie des Entrismus in die entstehende Grüne Partei die Unabhängigkeit der kommunistischen Organisation gefährdet sah. Auf seinem 1. Kongress Anfang 1980, zwei Wochen vor dem Gründungsparteitag der Grünen, betonte der KB die Notwendigkeit einer eigenständigen Organisation, um sich dem »Sog in die Grünen« entgegenzustellen, durch den Essentials, »die unter Kommunisten und Sozialisten noch vor kurzem unwidersprochen« gewesen seien, »im Eiltempo« für veraltet erklärt würden. Diese Entwicklung weise »eindeutig nach rechts«. Auf dem Kongress herrschte alles andere als Aufbruchstimmung, die Debatten wurden nach den Zerwürfnissen der letzten Monate des Jahres 1979 verhalten geführt. Der KB hatte seine besten Jahre hinter sich.

Nachdem das Jahr 1977 mit für den KB erfolgreichen militanten Großdemonstrationen an den Baustellen der Atomkraftwerke Brokdorf und Grohnde begonnen hatte, folgte der »Deutsche Herbst«, die massive polizeiliche Verfolgung radikaler Linker, die im Verdacht standen, sich nicht von der RAF zu distanzieren. Nicht nur im KB wurde diskutiert, wie aus der zunehmenden Isolation herauszukommen sei. Wenig später bildete sich aus dieser Debatte die »Zentrumsfraktion«, die einen straff organisierten Eintritt in die entstehende Grüne Partei vorbereitete. Die Mehrheit des KB folgte weiter der Linie des »Leitenden Gremiums«, das einen kollektiven Eintritt in die Grünen ablehnte und auf autonomer kommunistischer Organisierung beharrte. Als die Zentrumsfraktion ausgeschlossen wurde, zerbrachen Wohngemeinschaften und Freundschaften, aus der Gruppe Z, wie sie sich nun nannte, traten über 250 Mitglieder individuell in die Grünen ein. Sie dominierten neben dem Schleswig-Holsteiner auch den Hamburger Landesverband, der 1982 in Listenverbindung mit der Alternativen Liste (AL) zur Bürgerschaftswahl antrat.
»Die Gruppe Z/ISP habe ich in unguter Erinnerung. Ich hab sie nur hier in Hamburg erlebt – sektiererisch, opportunistisch und antikommunistisch«, sagte Udo Hergenröder, einer der acht Abgeordneten der ersten Fraktion der Grün-Alternativen-Liste (GAL), der Jungle World. Hergenröder, heute 87 Jahre alt und immer noch ein autonomer, streitbarer Kommunist, war bis 1982 in der DKP aktiv. Er erinnert sich an viele Machtspielchen in der grünen Anfangszeit: »Ich war Gründungsmitglied der AL, die zunächst zahlen- und aktionsmäßig weit stärker war als der Grüne Landesverband. Mitte der Achtziger gab es dann einen Beschluss, die GAL müsse Landesverband der Grünen Partei werden. Ich erinnere das so: Wer in der AL nicht explizit widersprach, wurde automatisch auf diese Art Parteimitglied der Grünen. So wurde ich ›Grüner‹, der ich aber nie war.« Bereits 1980 wurde in die Bundesleitung der Gruppe Z ein Mitglied aus Göttingen aufgenommen, das gut vernetzt und taktisch geschickt war: Jürgen Trittin, der im KB zuvor keinerlei Funktion innehatte.
Die Gruppe Z konnte auf dem bundesweiten Gründungskongress der Grünen einen wichtigen taktischen Erfolg verbuchen: Die ursprünglich bei der Gründung dominanten konservativen Kräfte um den früheren CDU-Abgeordneten Herbert Gruhl und die deutschnationalen Ökologen um Baldur Springmann wurden überstimmt, die Mehrheit der Delegierten stimmte für eine Verortung links von der SPD. Aber auch die Gruppe Z bekam einen Dämpfer: Bereits wenige Monate nach der Partei­gründung beantragte die Strömung »Basisdemokratische undogmatische SozialistInnen« (BUS) zusammen mit konservativen Grünen einen Unvereinbarkeitsbeschluss gegen die Gruppe Z. Zwar gab es dafür keine Mehrheit, aber das Signal war klar: Eine leninistische, abgeschottete Frak­tion würde auf Dauer nicht geduldet werden.

Die Gruppe Z zeigte schnell programmatische Beweglichkeit und gründete 1981 gemeinsam mit ehemaligen Mitgliedern einer anderen großen K-Gruppe, des Kommunistischen Bundes Westdeutschlands (KBW), die offenere Initiative Sozialistische Politik (ISP). Aus Klassenbefreiung wurde Ökosozialismus. 1984 war die ISP schon wieder am Ende. Nach ihrer Auflösung gab es keine kollektive Tätigkeit in den Grünen mehr, nur persön­liche Netzwerke.
Von Thomas Ebermann und Rainer Trampert, die der Zentrumsfraktion angehörten, erschien 1984 das Buch »Die Zukunft der Grünen: Ein realistisches Konzept für eine radikale Partei«. Ebermann schrieb damals: »Wir haben uns für diesen Weg der Mitarbeit bei den Grünen entschieden, als Baldur Springmann und Herbert Gruhl noch als möglicherweise hegemoniefähig bei den Grünen galten. Heute gelten Cohn-Bendit, Fischer, Schily, die wohl eher reformistische Linke sind, als unsere hauptsächlichen Widersacher. Das ist doch ein beachtlicher Fortschritt. Selbst wenn diese Strömung in nächster Zeit die mehrheitsfähige Strömung der Partei werden sollte, gäbe es unseres Erachtens nach keinen Grund, über Unsinn ökosozialistischer Politik bei den Grünen zu räsonieren.« 1989 sah das dann anders aus, es kam zum Bruch. Nachdem der von Linken wie Trampert und Jutta Ditfurth personell dominierte Bundesvorstand abgewählt worden war und selbst die Alternative Liste in Westberlin sich als windelweicher Mehrheitsbeschaffer der SPD entpuppt hatte, erklärten Ebermann und Trampert zusammen mit 40 Mitgliedern 1990 den Austritt aus den Grünen und initiierten die Sammlungsbewegung »Radikale Linke«. 1991 trat eine Gruppe um Jutta Ditfurth aus den Grünen aus und gründete die »Ökologische Linke«, die in Frankfurt am Main linke Kommunalpolitik betreibt.
Andere Ehemalige der Gruppe Z blieben auch nach 1990 bei den Grünen, Angelika Beer etwa bis 2009. Heute ist sie Landtagsabgeordnete für die Piratenpartei in Schleswig-Holstein. Was bleibt vom Engagement radikaler Linker bei den Grünen? »Innerhalb der Partei nichts«, meint der heute immer noch im Castorwiderstand politisch aktive Udo Hergenröder, »siehe die Zustimmung zu Kriegseinsätzen, die AKW-Kompromisse.« Zwar ist mit Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg ein ehemaliges Mitglied des KBW erster grüner Ministerpräsident, doch dass er heute dem konservativen Flügel der Partei angehört, bestätigt dieses Resümee wohl nur. Kretschmann hat seine »Achtunsechziger-Sozialisation« als »fundamentalen politischen Irrtum« bezeichnet. Und wie das für ihn persönlich wohl stimmt, darf man umgekehrt die spätere »Grünen-Sozialisa­tion« früherer Achtunsechziger als Irrtum bewerten. Aber das ist alles Geschichte. Die heutigen Grünen begehen ihre eigenen Irrtümer. Und darin zumindest zeigt die Partei Kontinuität.