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Während Taifune, Warlords und Nationalisten die Welt verwüsten, blieb es in der Redaktion der Jungle World im beschaulichen Berlin-Kreuzberg diese Woche relativ ruhig und sicher. Manche Kolleginnen und Kollegen betraten die Redaktionsräume erst gar nicht – auf die Sommergrippe folgt die Herbsterkältung vor der Winterdepression. Andere machten Urlaub, hoffentlich an ruhigen, sicheren und vor allem wärmeren Orten. Ein Highlight in der ruhigen Woche war sicher der Babybesuch unserer Kollegin in Elternzeit. Es bildete sich ein neugieriger Kreis um die auf einem Redaktionstisch aufgebaute Babyschale, ein großzügiger Sicherheitsabstand wurde dabei gewahrt. Etwas enttäuscht waren vielleicht einige, da das frische Kind wenig Aktion zeigte und nicht einmal seine Äuglein aufmachte. Die in der Redaktion herrschende konzentrierte Beschaulichkeit hatte sich wohl auch auf das Baby übertragen. Es schlummerte friedlich in seinem Autositz weiter, während jede Grimasse, die es im Schlaf zog, mit Interesse verfolgt wurde. Niedlich ist es, da waren sich alle einig. Mit Gekreische hätte es bei den sonst stets nach Krawall und Konflikten in aller Welt suchenden Redakteurinnen und Redakteuren vielleicht doch keine Sympathie wecken können. In ein paar Jahren dann wird es bei seinen gelegentlichen Redakationsbesuchen alles vollkrümeln, Kunstwerke aus Altpapier basteln und die Räume mit seinem Gebrüll nach Süßigkeiten, dem nächsten Videoclip und »Ich muss Pipi!« beschallen. Es wird also noch öfter Gelegenheit haben, die Wirkung seiner Niedlichkeit zu überprüfen. Und was wird in ein paar Jahren wohl in der Jungle World zu lesen sein? Wird es überhaupt noch etwas geben, worüber wir berichten können? Der Kapitalismus abgeschafft, die Linke alt, die Grenzen offen für alle, die Parteien obsolet, die Geschlechter dekonstruiert, die Kunst Leben, das Leben Kunst? Wird die Welt dann ruhig und sicher sein, eine große Jungle World-Redaktion? Sie ahnen es wahrscheinlich schon, Zuversicht ist hier fehl am Platz. Auch in einigen Jahren wird es noch viel zu kritisieren geben und beschaulich ist es hier ja eher selten. Dennoch gibt es manchmal Entwicklungen, die Anlass zur Hoffnung geben, wie etwa das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, dass homosexuelle Flüchtlinge in der EU ein Recht auf Asyl haben, wenn ihnen in ihrem Herkunftsland aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Haftstrafen drohen. Oder dass die Oberbayerinnen und Oberbayern – wenn auch teils aus fragwürdigen regionalistischen Gründen – sich gegen die Austragung der Olympischen Spiele in München entschieden haben, Hopfen und Malz in Bayern also noch nicht verloren sind. Darüber lesen Sie in dieser Ausgabe aber nichts – zu viele andere Dinge sind passiert.