Die politische Lage in Ostkongo

Offensive ohne Plan

Die ostkongolesische Rebellengruppe M23 wurde besiegt. Bringt das der Region den Frieden?
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Die militärische Zerschlagung der Rebellengruppe M23 durch die kongolesische Regierungsarmee trifft auf breite Zustimmung. Eine große Mehrheit der kongolesischen Bevölkerung sieht die lange vom Nachbarland Ruanda aus unterstützte Gruppe genauso wie ihre diversen Vorgängerorgani­sationen als Hauptfeind. Nachdem die von Armeedeserteuren geführte M23 Ende vorigen Jahres kurzzeitig die Millionenstadt Goma eingenommen hatte und damit die UN-Friedensmission Monusco torpedierte, galt sie auch in der internationalen Politik als das wesentliche Hindernis für den Friedensprozess im Ostkongo. In der Folge wurden Hilfsgelder für Ruanda gesperrt, die Monusco ­erhielt ein schärfer formuliertes Mandat und wurde mit besser ausgerüsteten Truppen aus Ländern des südlichen Afrika verstärkt. Diese »Friedens­truppen» kämpften nun an der Seite kongolesischer Soldaten gegen die »negativen Kräfte» der M23. Hilft im Ostkongo also militärisches Durchgreifen, um Frieden und Stabilität zu erreichen?

Der Sieg über die M23 ist eine Chance, den seit Jahren stagnierenden politischen Prozess wieder in Bewegung zu bringen. Militärische Offensiven allein werden die sozialen und politischen Konflikte in der Region jedoch nicht lösen. Weder ist abzusehen, wie die Armut der Bevölkerung mittelfristig gelindert werden kann, solange einige Wenige von Bodenschätzen, Landraub und ausländischen Geldgebern profitieren, noch ist erkennbar, dass die kongolesische Regierung oder die internationalen Akteure eine politische Strategie haben, um Ostkongo ein tragfähiges System politischer Repräsentation zu schaffen.

Die M23 konnte auch deshalb lange Zeit so erfolgreich sein, weil sie innerhalb der ruandischsprachigen Minderheit im Ostkongo als einzige realistische Möglichkeit galt, um Schutz und politischen Einfluss zu bewahren. Die nationale Regierung verschleppt seit Jahren die geplanten Lokalwahlen und ist selbst unrechtmäßig ins Amt gekommen, da die nationalen Wahlen 2011 gefälscht wurden. Die nationale Armee gilt wegen der vielen Menschenrechtsverletzungen bei der Landbevölkerung als mindestens genauso gefährlich wie andere marodierende Banden. Sie wird ihren Sieg nun wohl mit Plünderungen in den eroberten Gebieten feiern, während die Truppen der Vereinten Nationen in die andere Richtung blicken. Daher wird die Gründung einer neuen ­bewaffneten Gruppe durch die nun versprengten Rebellen nur eine Frage der Zeit sein.

Zudem war die M23 zwar die militärisch stärkste, aber nur eine von vielen bewaffneten Gruppen. Weiterhin kontrollieren ihre Hauptrivalen, die »Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas» (FDLR), Teile des Ostkongo. Die extremistische Organisation, deren Führung den Genozid in Ruanda 1994 mitorganisiert hat, wird von der ru­andischen Regierung weiterhin genau beobachtet werden. Ob es zwischen internationalen Akteuren, kongolesischer und ruandischer Regierung ein geheimes Stillhalteabkommen während der Offensive gegen die M23 gab, wird sich auch am zukünftigen Umgang mit der FDLR zeigen. Sollten weder nationale noch internationale Kräfte die FDLR zur Selbstauflösung bewegen, wird früher oder später das ruandische Regime erneut mit eigenen Truppen oder durch eine Stellver­tretermiliz eigene Angriffe beginnen.