Die Supermarktler

Einen Beruf beobachte ich seit Jahren fast täglich: Supermarktmitarbeiter. Ich kann nicht verallgemeinern, da ich selten woanders einkaufe als im Supermarkt um die Ecke. Aber von dort kann ich berichten. Die Kassiererinnen tragen mit großer Selbstverstandlichkeit Metall im Gesicht und viele von ihnen sind Männer. Ist das eigentlich ein Zeichen für die fortschreitende Gleichberechtigung von Mann und Frau, dass mittlerweile auch Männer die früher verpönten Frauenjobs machen?
Im Großen und Ganzen ist dieser Supermarkt ein mittelgroßer Hort der Zufriedenheit für die Angestellten. Sie sind entspannt und freundlich, ohne dabei ängstlich zu wirken wie andere, die mit devoter Panik arbeiten, weil der Kunde, den man eben völlig zu Recht angeschnauzt hat, ein vom Konzern geschickter Testkunde sein könnte. So etwas gibt es hier nicht. Nur die normal verrückten Kunden. Und wenn man gesehen hat, mit welcher Grandezza eine Kassiererin auf die Bitte einer Esoterikerin, die Waren bitte »händisch« einzutippen, reagiert, ohne nachzufragen, was das soll, der kann nur beeindruckt sein. Die Eso-Frau hat es natürlich nicht unterlassen, es trotzdem zu erklären: Das sei wegen der Strahlen. Ja, ja, das sei überhaupt kein Problem, entgegnete die Verkäuferin und lächelte freundlich wissend. Nein, niemand lässt sich hier aus der Ruhe bringen oder muss bis an den Rand der Erschöpfung arbeiten. Der Chef lässt seinen Mitarbeitern freie Hand, während er sich um seine Leidenschaft, ein überdimensioniertes Weinregal, kümmert, hier ein wenig Staub wischt, dort ein Etikett nach vorne dreht. Es wird nicht geschrien, nicht befohlen, es herrscht Gelassenheit. Einen Wunsch hat eine der Frauen trotzdem, wie sie mir letztens verraten hat: Sie möchte gerne vorgefertigte drei Schilder, die sie einfach hochhalten kann, mit folgenden Texten: »Geheimzahl und dann auf Bestätigen drücken, bitte«, »Sammeln Sie Punkte?«, »Brauchen Sie den Bon?«
Wenn ich in der Kassenschlange stehe und neugierig die Einkäufe der anderen betrachte, fällt mir auf, wie viel Persönlichkeit sich aus den Waren lesen lässt. Hier der Singlemann, der hauptsächlich Fertigprodukte kauft, dort der Ernährungsbewusste, mit viel Obst und pseudo-japanisch benamstem Joghurt, hier das kinder­lose Paar, das zu viel arbeiten muss und deshalb einen kompletten Wochenvorrat kauft. Mein Gott, dieses Laufband ist ein großer völlig ungeschützter Datensammelplatz. Die Kassierer wissen alles über dich. Alles! Ich bin übrigens die Frau, die immer diese interessanten Produkte kauft. Das Schönste an den Supermarktangestellten aber ist: Es interessiert sie einen Scheiß. Sie sind absolut diskrete Geheimnisbewahrer. Es ist ein großer Job, der dort erledigt wird. Warum geben wir eigentlich kein Trinkgeld?