Antibiotika in der Fleischindustrie

Medizin fürs Schweinesystem

Die deutsche Fleischindustrie wird wegen des Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung und miserabler Arbeitsbedingungen kritisiert.

Schweinefleisch wird in Deutschland immer billiger. Das liegt auch daran, dass Deutschland bei der Zugabe von Antibiotika ins Schweinefutter europaweit zu den Spitzenreitern gehört, wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit am 11. November mitteilte.
Davor wurde gewarnt, denn die Verfütterung von Antibiotika in der Schweinemast, an Kälber und an Masthähnchen und die daraus folgende Produktionssteigerung rechnet sich zwar für die Züchter, für die Verbraucher jedoch nur auf kurze Sicht. Viele Menschen sprechen unter anderem aufgrund ihrer Essgewohnheiten nicht mehr auf Antibiotika an, berichtete die Berliner Zeitung Mitte November über die derzeitige Kritik an der Praxis der Tierzüchter: »Insbesondere Krankenhäuser haben verstärkt Probleme mit multiresistenten Keimen, die schwer behandelbare Erkrankungen auslösen können, lauten die Vorwürfe.«

Vorwürfe wegen der kaum kontrollierten Zugaben von Antibiotika im Tierfutter sind jedoch nicht die einzigen, die gegen die fleischproduzierende Industrie der Bundesrepublik erhoben werden. Im Sommer sorgten in Belgien Medienberichte für Empörung. Die Presse prangerte Deutschland als Billiglohnland an, das in der Fleischverarbeitungsindustrie unethische Arbeitsverhältnisse zulasse. Belgiens Wirtschaftsminister Johan Vande Lanotte und Arbeitsministerin Monica De Coninck seien bei einer Besichtigung von fleischverarbeitenden Betrieben in Niedersachsen auf »chinesische Verhältnisse« gestoßen, berichtete die belgische Internet-Zeitung Belgieninfo. Detailliert wurden »Stundenlöhne zwischen drei und fünf Euro, Arbeitszeiten bis zu 60 Stunden in der Woche, Massenunterkünfte zu Wuchermieten« beschrieben. Deutsche Schlachthofbetreiber, berichtete Belgieninfo weiter, beauftragten rumänische und bulgarische Subunternehmer, die in ihren Ländern Arbeiter rekrutierten, die für rumänische und bulgarische Stundenlöhne in Deutschland Schweine zerlegen. Und das macht Schweinefleisch in Deutschland so billig, dass belgische Schlachthöfe nicht mehr konkurrieren können. Im Unterschied zu Deutschland gibt es dort einen Mindestlohn. »In Belgien, wo die Löhne automatisch an die Preisentwicklung angepasst werden (die sogenannte Indexierung), steigen die Kosten dagegen weiter an. Belgische Firmen verlieren deswegen ihre Wettbewerbsfähigkeit«, schreibt Belgieninfo. Der französischen Fleisch­industrie geht es ähnlich.

»In Frankreich sehen sich 900 entlassene Arbeiter als Opfer deutscher Niedriglöhner«, berichtete Georg Blume Ende Oktober in der Zeit und zeigte sich angesichts antideutscher Stimmung im bretonischen Lampaul besorgt. Mitte Oktober wurde dort der Schweineschlachthof geschlossen und der Betrieb an einen anderen Ort verlagert, 889 Beschäftigte verloren ihren Job. Sie kritisieren, dass das Lohn- und Sozialdumping in Deutschland die Preise in Frankreich kaputtmache. Denn während in der Bundesrepublik noch immer über einen Mindestlohn verhandelt wird, liegt er in Frankreich bei 9,40 Euro die Stunde.
Aus diesem Grund lassen immer mehr Fleischkonzerne in Deutschland schlachten, was für die Tiere längere Transportwege und entsprechende Qualen bedeutet. »Nur fünf Euro Bruttolohn«, schreibt Blume, »beziehen laut den Gewerkschaften die etwa 7 000 Arbeiter, die in deutschen Schlachthöfen tätig sind. Fast alle stammen aus Osteuropa. Auch die NGG spricht deshalb von Lohndumping.« Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fordert die Einführung ­eines Mindestlohns von 8,50 Euro für die Beschäftigten der Fleischindustrie, damit bleibt sie deutlich unter dem in Belgien und Frankreich geltenden Mindestlohn. Um die hohen Antibiotikagaben an Tiere einzuschränken, sollen in Deutschland das Arzneimittelgesetz geändert und eine Dokumentationspflicht für Tierärzte eingeführt werden, allerdings erst im kommenden Jahr. Und über einen Mindestlohn wird noch verhandelt. Einstweilen können die Kunden und Kundinnen sich weiterhin über billiges Schweinefleisch freuen.