Schmerz verbindet

Rosa Rodero Palacios tat die Aufmerksamkeit sichtlich gut. Die 57jährige ist die Witwe eines 1993 von der ETA erschossenen Offiziers der baskischen Polizei Ertzaintza. Zur Gedenkfeier am 22. November anlässlich des 20. Todestags ihres Mannes hatte sie auch Angehörige von Opfern der staatlichen Repression gegen die bewaffnete baskische Untergrundorganisation eingeladen. Die Hommage an ihren Mann sei »offen für alle Opfer, nicht nur die der ETA, und für alle politischen Richtungen«. Damit brach Rosa Rodero explizit mit dem spanisch-nationalen Diskurs der dominierenden »Vereinigung der Opfer des Terrorismus« (AVT). In den ersten Jahrzehnten hatten die Anschläge der ETA zwei zentrale Gruppen des spanischen Nationalismus zum Ziel, höherrangige Militärangehörige und die paramilitärische Guardia Civil, deren Wahlspruch lautet: »Alles für das Vaterland«. Die Familienangehörigen dieser Opfer geben in der AVT den Ton an. Rodero sah sich als Baskin nie von der AVT vertreten und wollte in ihrer Trauer nicht vom spanischen Staat vereinnahmt werden.
So lud sie als Symbol der Versöhnung auch zwei verurteilte ehemalige Etarras, Mitglieder der ETA, zur Gedenkfeier: Carmen Gisasola und Andoni Alza Hernández, seit über zwei Jahrzehnten inhaftiert, haben sich von der ETA losgesagt und bereuen öffentlich ihre Taten. Für ihre Distanzierung von der ETA haben sie von der Gefängnisverwaltung Freigängerstatus erhalten, so konnten sie teilnehmen. Von Kameras und Mikrophonen umringt, ging Gisasola auf Rodero zu, sie umarmten sich und sprachen miteinander. Eine symbolische Geste der Aussöhnung von beiden Seiten. Rodero öffnete sich auch gegenüber den Opfern der anderen Seite, saß mit Edurne Brouard auf einem Podium. Ihr Vater, Santi Brouard, war einer der Vorsitzenden der Partei Herri Batasuna, die 2003 wegen angeblicher Unterstützung der ETA in Spanien verboten wurde. Santi Brouard wurde am 20. November 1984 in seiner Kinderarztpraxis von Angehörigen der Antiterroristischen Befreiungsgruppen (GAL) erschossen. Die GAL waren eine klandestine, aber aus staatlichen Mitteln finanzierte Truppe. »Wenn du mit anderen Opfern zusammen bist und ihren Schmerz siehst, erkennst du, dass im Laufe der Zeit der Schmerz der gleiche ist«, sagte Rodero. Die spanisch-konservative Volkspartei und die AVT, die weiterhin Etarras und deren Angehörige als Feinde betrachten, blieben der Gedenkfeier fern.