Der ungemütliche Herr Gabriel

Ausraster. Kaum hatten sich alle darauf geeinigt, dass Sigmar Gabriel das Poltrige überwunden und fast schon staatsmännisches Format hat, da gibt es auch schon den schlimmen Rückfall. Im Ausraster-Interview mit Marietta Slomka im »Heute-Journal« wurde Gabriel auf einmal ziemlich ungemütlich und kommentierte die Fragen von Slomka, statt sie einfach nur zu beantworten. »Da müssen Sie eben nicht richtig zugehört haben«, schulmeisterte Gabriel erst, und dann fielen die eigentlich verbotenen Worte »Unsinn«, »Quatsch« und »Blödsinn«, als er nach der Verfassungsmäßigkeit des SPD-Mitgliederentscheids gefragt wurde. Das weckt Erinnerungen an eine andere Attacke Gabriels vor laufenden Kameras. »Sie sind aufgedreht, als hätten sie vor der Sendung was geraucht«, bekam Ursula von der Leyen in der Talkshow »Günther Jauch« zu hören, als sie ihre Redegeschwindigkeit nicht an das eher schleppende Tempo Gabriels anpassen wollte. Fazit: Ganz schön patriarchal tritt er auf, der nächste Superminister.   her
Alles nur gescannt
Schlagzeile des Jahres. Was sind das bloß für Leute, die über einen müden Kalauer schon völlig aus dem Häuschen geraten? »Yes, We Scan« hatte die Bild-Zeitung eine Meldung zur NSA-Affäre überschrieben, was natürlich ganz nett, aber auch so naheliegend war, dass eben nur der Verein für Deutsche Sprache darin die »Schlagzeile des Jahres« erblicken konnte. Der Sprachverein und sein Vorsitzender Walter Krämer, der ansonsten entschlossen gegen das Einsickern englischer Begriffe ins Deutsche kämpft und sich gegen das »Denglisch« verwahrt, meinte aber, die drei englischen Worte »Yes, We Scan« fassten die tiefe Enttäuschung vieler Europäer über die Überwachungsmanie der Obama-Regierung besser zusammen, als jeder Leitartikel dies vermocht hätte. Aber selbst der Bild-Redaktion war das der Ehre zu viel. Sie lehnte die Auszeichung dankend mit der Begründung ab, die Idee zu der Überschrift habe man doch einfach nur irgendwo im Internet aufgeschnappt.   her
Am Vorabend
Peter Kurzeck. Seine Themen waren die Provinz und seine Jugend. Es geht hier aber nicht um einen spießigen Heimatschriftsteller, sondern um Peter Kurzeck, der im Alter von 70 Jahren an den Folgen mehrerer Schlaganfälle gestorben ist, wie sein Verleger Karl Dietrich Wolff mitteilte. Im linken Stroemfeld-Verlag erschienen viele seiner wichtigsten Werke, von denen vor allem »Oktober und wer wir selbst sind« und »Mein Bahnhofsviertel« einer größeren Leserschaft bekannt wurden. Seit 1992 arbeitete er an seinem ausufernden autobiographischen Romanprojekt »Das alte Jahrhundert«, von dem bisher fünf der geplanten zwölf Bände erscheinen konnten, zuletzt 2011 der Band »Vorabend«. Der stille und freundliche Mann war auch ein großer Vorleser und Erzähler. Davon konnte man sich beim Anhören der unter dem Titel »Ein Sommer, der bleibt« erschienenen CDs überzeugen. Frei gesprochen, schriftlich nicht fixiert, beschwor Kurzeck das Dorf seiner Kindheit.   her
Der traurige Trommler
Trio. Es sind immer die Schlagzeuger, die die Arschkarte ziehen. Auch im Fall der Achtziger-Jahre-Band Trio ist das so. Sänger Stephan Remmler war schon damals der Siegertyp, großspurig und auch leicht unangenehm. Er soll inzwischen auf Lanzarote leben und irgendwas mit Musik machen. Peter Behrens, neben Gitarrist Kralle Krawinkel der Dritte im Bunde, war der traurige Trommler, schüchtern und nett. Für die Finca auf den Kanaren hat es bei ihm nicht gereicht, statt dessen Hartz IV in Wilhelmshaven, Drogen und Abstürze. Davon und wie es bei Trio hinter den Kulissen zuging, erzählt der Schlagzeuger jetzt in seinem Buch »Der Clown mit der Trommel«, das sich im besten Fall so gut verkauft, dass es auch bei ihm noch mit der Inselimmobilie klappt.   her