Ein V-Mann gründete den Ku-Klux-Klan in Schwäbisch Hall

Ein mörderisches Gschmäckle

Das baden-württembergische Innenministerium hat offiziell bestätigt: Der Gründer des Ku-Klux-Klans in Schwäbisch Hall war ein V-Mann des Landesverfassungsschutzes.

»Der Verfassungsschutz sitzt nicht auf jedem Sofa«, rechtfertigte Beate Bube, die Präsidentin des baden-württembergischen Geheimdienstes, noch im Mai den Mangel an Informationen über rechtsextreme Umtriebe im Südwesten Deutschlands. Gleichzeitig bestritt sie, dass einer ihrer Leute weiße Kapuzenmäntel verteilt und die klerikalfaschistischen Ritualfeiern des Ku-Klux-Klans (KKK) veranstaltet haben könnte. »Das kann ich definitiv ausschließen«, sagte sie.
Nun hat einem Bericht der Stuttgarter Nachrichten zufolge der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) Mitte November vor dem Innenausschuss des Landtags erstmals den Wahrheitsgehalt eines entsprechenden Gerüchts bestätigt: Der Gründer der Ortsgruppe der »European White Knights of the Ku-Klux-Klan« in Schwäbisch Hall war ein Informant des Landesverfassungsschutzes. Achim S. soll als V-Mann vier Jahre lang über die neonazistische Szene berichtet, dann aber just einen Monat nach der Gründung des schwäbischen KKK-Ablegers im November 2000 den Posten als Informant verloren haben.

Erst im vergangenen Jahr war bekannt geworden, dass in den Jahren 2001 und 2002 zwei Beamte der Bereitschaftspolizei Böblingen »Ordensritter« des Geheimbunds gewesen waren. Der Ku-Klux-Klan ist in Deutschland nicht verboten. Da es sich um eine rassistische und antisemitische Vereinigung handelt, hätte die Mitgliedschaft jedoch als Verstoß gegen die im Landesbeamtengesetz festgelegte Neutralitäts- und Mäßigungspflicht gewertet werden können. Aus einem internen Aufklärungsbericht des Landespolizeipräsidiums geht hervor, dass die Hinweise auf die Aktivitäten der Beamten im KKK bereits 2002 eingegangen waren, Maßnahmen gegen sie aber erst geprüft wurden, als die zweijährige Frist für eine disziplinarrechtliche Ahndung schon abgelaufen war. Die Polizisten erhielten 2005 eine Rüge und verblieben im Dienst.
Warum der Vorfall im August 2012 überhaupt noch einmal geprüft wurde, wird im Bericht nur angedeutet: Es gebe »keine Anhaltspunkte« für einen Zusammenhang mit dem Mord an Michèle Kiesewetter. Die Bereitschaftspolizistin war im April 2007 in Heilbronn erschossen worden. Ein Polizist, der wegen der Mitgliedschaft im KKK gerügt worden war, leitete nach Informationen des Spiegel damals ihre Gruppe bei der Böblinger Bereitschaftspolizei. Kiesewetter gilt als mutmaßliches zehntes Mordopfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Nach dessen Selbstenttarnung waren ihre Dienstwaffe und ihre Handschellen im Besitz der nazistischen Terrorgruppe gefunden worden. Außerdem wird auf dem Bekennervideo des NSU der Mord an der Polizistin ausdrücklich erwähnt. Doch ein Motiv für die Tat fehlt bislang. Dafür gibt es jede Menge Spuren, die auf die rechtsextreme Szene des Südwestens hinweisen, und ungeklärte Verbindungen zu den örtlichen Sicherheitsbehörden. Der KKK-Gründer Achim S. soll bereits im März 2000 vom sächsischen Verfassungsschutz verdächtigt worden sein, die untergetauchten drei Terroristen zu unterstützen, zu einer Zeit, als ihn die baden-württembergische Behörde noch als Informanten führte.

Das Kapitel zum Heilbronner Mordanschlag im Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags beginnt mit einer klaren Unmutsäußerung: »Der Ausschuss hat aus der Beweisaufnahme den Eindruck gewonnen, dass in diesem Fall viele Fragen nicht abschließend geklärt sind.« Durch »schlampige polizeiliche Ermittlungen und entsetzliche Fehler in der Polizeiarbeit« seien wichtigen Spuren nicht verfolgt worden. Insgesamt ergebe sich aus den Akten und Zeugenaussagen »das Bild einer ungewöhnlich problematischen Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei«. Vor allem aber beklagten Mitglieder des Ausschusses, dass ihnen wich­tige Informationen vorenthalten oder erst sehr spät zur Verfügung gestellt worden seien. Die Akten zu »Krokus«, der Auskunfts- und späteren Informationsperson Petra S., erhielt das Gremium erst nach Abschluss seiner Arbeit. Ihre Kontakte und Informationen zur rechtsextremen Szene in Baden-Württemberg konnten in einer nachträglichen Sondersitzung nicht abschließend bewertet werden. Die FDP-Fraktion betonte in ihrer ergänzenden Stellungnahme zum Abschlussbericht, die mangelnde Kooperation Baden-Württembergs habe »ein besonderes Gschmäckle«.
Innenmister Gall wies die Vorwürfe als parteipolitische Profilierungsversuche zurück. Öffentlich bestreitet er, dass es in Baden-Württemberg ein Unterstützernetzwerk für den NSU gegeben habe, während der Name einer von ihm im März eingesetzten Ermittlergruppe, »Umfeld«, die bis zum Jahresende die Verbindung des NSU zum Südwesten erforschen soll, das Gegenteil vermuten lässt. Als Dieter Schneider, der Präsident des Landeskriminalamts, im Mai andeutete, dass sich in Schwäbisch Hall der Ku-Klux-Klan neu formiert habe, wiegelte Gall ab, es gebe »keine Anhaltspunkte für verfestigte Strukturen«.
Der CDU-Obmann des NSU-Ausschusses, Clemens Binninger, betrachtet die Polizisten im Ku-Klux-Klan, die in seinem Böblinger Wahlkreis ihren Dienst tun, als »Einzelfälle«. Selbst über 20 Jahre Erfahrung im Polizeidienst verfügend, wollte er den im Fall Kiesewetter ermittelnden Heilbronner Beamten nur »Betriebsblindheit« vorwerfen, sie seien »in bestimmten Ermittlungsroutinen« festgefahren gewesen, wie er anlässlich der Vorstellung des Abschlussberichts des NSU-Untersuchungsausschusses sagte. Die Linkspartei hat in ihrer Ergänzung zur gemeinsamen Bewertung der Fraktionen im NSU-Ausschuss hingegen die rassistischen Ansichten der baden-württembergischen Ermittler exemplarisch dokumentiert. Ihre Forderung nach einem NSU-Untersuchungsausschuss im Land wurde jedoch nur von den Jusos und der Grünen Jugend aufgegriffen.

Nach Innenminister Galls jüngstem Eingeständnis der Tätigkeit des KKK-Anführers als V-Mann und nach der mutmaßlichen Selbsttötung des Zeugen Florian H. erneuerte die grüne Jugendorganisa­tion kürzlich in einem offenen Brief an die Landtagsfraktion die Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. H. war ein junger Neonazi, der im September beim LKA in Stuttgart über Treffen des NSU mit einer zweiten rechtsextremen Terrorzelle, der sogenannten Neoschutzstaffel, im Großraum Heilbronn berichten wollte, jedoch in seinem Auto verbrannte, bevor er aussagen konnte. Nicht nur deshalb sieht es die Grüne Jugend als dringend geboten an, die NSU-Kontakte im Südwesten endlich durch einen Untersuchungsausschuss aufklären zu lassen.