Berlin Beatet Bestes. Folge 221. Napalm: It’s a Warning (2013).

Hör’ mal, wer da spricht!

Berlin Beatet Bestes. Folge 221. Napalm: It’s a Warning (2013).

Die Nadel des Plattenspielers senkt sich in die Rille, aber zunächst ist nur ein Durcheinander zu hören: »Bevor hier überhaupt etwas abgeht (…). Is’ in letzter Zeit derb viel Scheiße gelaufen (…) mit Skins und Punks (…) und Rechte und Linke (…). (Ruf aus dem Publikum: ›Schnauze!‹). Und ich hab da auf die ganze Scheiße kein Bock drauf. (›Kölle Allaaf!‹) (…). Pass mal auf (…). (›Pfuiii!‹) Rechts wie links das is’ genausone Scheiße, Alter (… ). Das is’ genau dasselbe (… ) Das is’ Scheiße! (…) Was wir wolln, is’ saufen! (… ) Also, warum soll’n wir uns streiten!? (›Pfuiii!)«
Dann folgt das Feedback, und schon bollern Napalm mit »Killer Rats« los, live am 9. September 1982 im »Graffiti« in Hamburg-Sasel. Nachdem Hamburger Punks einige Läden zerlegt hatten, mussten Punkkonzerte in den Jahren 1982/83 in Hamburgs Suburbia, weit entfernt von der Innenstadt, stattfinden. Bands spielten überall dort, wo man sie ließ, zumeist in Jugendzentren. So mischte die Hamburger Band Grober Unfug, eine Jugendzentrum-Band aus dem räudigen St. Georg, im Frühjahr 1983 sogar unser Freizeitheim in Buxtehude auf und verbreitete Angst und Gewalt. Im Schlepptau hatten sie befreundete Schlägertypen des HSV-Fußballfanclubs »Die Löwen«.
Warum waren Punks mit solchen Leuten befreundet? Ganz einfach: Besser als mit Naziparolen konnte man linke Lehrer, Jugendzentrumspädagogen und Ökos nicht provozieren. Aus Spaß war 1982 aber längst Ernst geworden. Die Savage Army, eine Skinhead-Schlägertruppe, die sich zum Teil aus Ex-Punks rekrutierte, verprügelte Linke und Punks. Innerhalb von wenigen Monaten wurden sie Vollnazis. Einige wenige Punks unterhielten allerdings noch Kontakte mit ihren alten Kumpels.
Keine andere deutsche Punkband hatte damals den knackigen Gitarrensound der Cockney Rejects so gut drauf wie Napalm. Kein Wunder, dass auch John Peel die zweite EP »It’s a Warning« in seiner Radioendung spielte, wo ich sie praktischerweise auch gleich auf Kassette mitschnitt. Ein Erwerb der Platte war also nicht nötig, sie in die Finger zu bekommen, wäre auch nicht leicht gewesen. Später wurden beide Napalm-Platten teure Sammlerstücke. Jetzt hat das Berliner Label Static Shock die Aufnahmen zusammen mit besagtem Live-Auftritt im »Graffiti« auf Vinyl gepresst.
Wer da im Vorspann spricht, wird aber erst durch einen zusätzlichen Ausschnitt deutlich. Die komplette Aufnahme des Konzerts mit Knallschoten und Insane aus England gibt es auf Tape Attack, dem besten deutschen Musikblog, zu hören. Darin weist Easy Ettler, der Betreiber des »Graffiti«, die Punks darauf hin, dass sich auch einige Skins im »Graffiti« befinden, auf Einladung des Sängers von Napalm. Eigentlich hätten Skinheads und Savage Army Lokalverbot, und die Skins hätten ihre Ausweise abgeben müssen, damit es keinen Ärger gibt. Es ist also wohl einer der Skinheads, der da spricht! »Links und rechts ist doch alles dasselbe« – sowas können nur Dummköpfe behaupten.

Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.