»Keine Gegenstimme«

»Abzock-Alarm« haben Münchener Medien ausgerufen und warnen vor der »Bettelmafia«. Die Behörden gehen vor allem gegen aus Osteuropa kommende Bettelnde vor. Mitglieder des Münchener Kunstvereins B-Art haben deshalb in der vergangenen Woche aus Protest 10 000 Exemplare einer Satirezeitung, in der die mediale Hetze persifliert wird, in der Stadt verteilt. Bernhard Schmidt von B-Art gibt Auskunft.

Seit wann ist die Hetze gegen Bettelnde in München zu beobachten?
Der Prozess hat vor zwei Jahren begonnen und wird immer massiver, was an reißerischen Artikeln und Headlines deutlich wird.
Münchener Zeitungen beteiligen sich also ausgiebig?
Ja. Es wird wahnsinnig pauschalisiert. Die Schlagzeilen lauten »Sie werden immer dreister« oder »Sie kommen an den Tisch«. Es ist für die Medien ein dankbares Thema, weil es einen Mainstream gibt, der Bettlern ablehnend gegenübersteht.
Geht die Hetze auch noch von anderen aus?
Die Stadt ist vorne mit dabei in Person des Oberbürgermeisters Christian Ude. Er ist sich nicht zu schade, davon zu sprechen, man solle »kaltherzig« sein und den Leuten kein Geld geben, weil man sonst die »Bettelmafia« unterstützen würde.
Gibt es mehr Bettler auf den Straßen als vor zwei Jahren?
Eher lassen sich da saisonale Unterschiede beobachten. Es gibt recht viele Bettelnde aus Osteuropa, aber trotz allem kann man nicht von einer homogenen Gruppe reden. Wir haben uns auch auf die Suche nach der »Bettelmafia« gemacht, haben Interviews mit Bettlern geführt. Wir haben die »Bettelmafia« aber nicht gefunden. Vielleicht war sie zu geschickt für uns.
Sie haben mit einer satirischen Zeitung auf die Lage aufmerksam gemacht. Gab es Reaktionen?
Wir haben positive Mails bekommen, zum Beispiel von einem bulgarischen Studenten, der geschrieben hat, dass ihm das Problem auch aufgefallen ist und er sich selbst von Diffamierungen betroffen sieht. Wir haben in unserer Zeitung aber auch Personen angegriffen, unter anderem einen Vertreter der Theatergemeinde. Die hat sich schon gemeldet und eine gewisse Drohkulisse aufgebaut.
Haben Sie weitere Interventionen zum Thema geplant?
Unbedingt. Wir haben das Gefühl, es gibt keine Gegenstimme, denn die Möglichkeiten, sich in die Debatte einzuschalten, sind ungleich verteilt. Wer auf der Straße bettelt, hat nicht den besten Draht in die Redaktionen. Die Satirezeitung war ein Anfang, wir werden auch noch Veranstaltungen machen und am Ball bleiben.