That’s not cool, Britannia

Seit Juni veröffentlicht die britische Tageszeitung The Guardian NSA-Dokumente von Edward Snowden. Sehr zum Ärger der britischen Regierung, die findet, die Aufklärung über die Überwachungspraxis der Geheimdienste gefährde die nationale Sicherheit. Am Dienstag voriger Woche musste der Chefredakteur des Guardian, Alan Rusbridger, vor dem Innenausschuss des britischen Unterhauses erscheinen, um sich für die Berichterstattung seiner Zeitung in der »Snowden-Affäre« zu rechtfertigen. »Lieben Sie dieses Land?« war eine Frage, die Rusbridger gestellt wurde. Ja, vor allem die Pressefreiheit, antwortete dieser. Kürzlich hatte der Chef des Inlandsgeheimdienstes MI5 bei einer Anhörung im Unterhaus gesagt, der Guardian mache mit seinen Enthüllungen den Feinden Großbritanniens ein Geschenk. Was den konservativen Abgeordneten Michael Ellis wohl auf die absurde Idee brachte, Rusbridger am Ende seines Kreuzverhörs zu fragen, ob er, wenn er im Zweiten Weltkrieg in den Besitz des geheimen Enigma-Codes gelangt wäre, diese Information an die Nazis weitergegeben hätte. Der Chefredakteur antwortete mit einem »Nein«. Dass Rusbridger überhaupt zu dieser Anhörung im »Mutterland der Pressefreiheit« vorgeladen worden war, hatte vor allem in den USA für Kritik gesorgt. Der Journalist Carl Bernstein, berühmt geworden durch die Enthüllung des Watergate-Skandals, erklärte ihm mit einem offenen Brief seine Solidarität. In einem Schreiben des amerikanischen Komitees für Pressefreiheit an das britische Parlament, das unter anderem von der New York Times, dem New Yorker und der Washington Post unterzeichnet wurde, ist von »großer Sorge« und »Zensur« die Rede. Der Guardian werde weiterhin mit der gebotenen Sorgfalt Snowden-Material veröffentlichen, kündigte Rusbridger an. Bisher habe das Blatt erst ein Prozent seiner Informationen öffentlich gemacht, insgesamt lägen dem Guardian 58 000 Dokumente vor, teilte er dem Unterhaus freundlich mit.