Deutsche Waffen in Mexiko

Die Mexiko-Connection

Bei einem Gerichtsprozess wurden neue Details über Waffenlieferungen der Firma Heckler & Koch nach Mexiko bekannt.

Das Geständnis hing am Schwarzen Brett. Es bestehe der dringende Verdacht gegen zwei Mitarbeiter, Waffenlieferungen in nicht genehmigungsfähige mexikanische Bundesstaaten veranlasst zu haben, informierte die Geschäftsführung von Heckler & Koch (H&K) Ende April dessen Mitarbeiter. Damit räumte der Rüstungskonzern aus Oberndorf erstmals ein, dass es beim Verkauf von G36-Gewehren nach Mexiko nicht mit rechten Dingen zugegangen war. Die Angestellten Axel H. und Marianne B. wurden fristlos entlassen. Dass sie aber, wie es in der Mitteilung hieß, »eigenmächtig, ohne Wissen und Wollen anderer Personen im Unternehmen« gehandelt haben, bestreiten nicht nur die Gekündigten. Auch Rüstungskritiker gehen davon aus, dass die Geschäftsführer über den illegalen Mexiko-Deal Bescheid wussten. »Die Entlassenen sind lediglich Sündenböcke, um von der eigenen Verantwortung abzulenken«, kritisiert der Pazifist Jürgen Grässlin. Anfang Dezember standen sich nun H&K und die ehemaligen Mitarbeiter vor dem Arbeitsgericht in Villingen-Schwenningen gegenüber. Formal ging es um die Frage, ob die Kündigungen rechtmäßig waren. Doch die Aussagen im Prozess schienen nicht nur Grässlins Vorwürfe zu bestätigen. Sie warfen zugleich ein Licht auf die zwielichtige Exportpolitik der Schwarzwälder Firma und deutscher Behörden.

Etwa die Hälfte von 9 652 Sturmgewehren, die das Unternehmen zwischen 2006 und 2009 nach Mexiko geliefert hatte, waren an Polizeibehörden in Bundesstaaten gelangt, für die das Bundesausfuhramt (Bafa) wegen der schlechten Menschenrechtslage keine Ausfuhrgenehmigung erteilt hatte. Deshalb ermittelt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft seit 2010 gegen H&K wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Außenwirtschaftsgesetz. Bei Rüstungsexporten muss der Kunde, in diesem Fall das mexikanische Verteidigungsministerium, eine Endverbleibserklärung unterzeichnen, um zu bestätigen, dass die eingekauften Waffen nur in genehmigte Regionen geliefert werden. Aussagen im Prozess haben nun nahegelegt, dass der Handelsvertreter der Firma in Mexiko-Stadt mit seinen Oberndorfer Kollegen gezielt dafür sorgte, dass die Erklärung manipuliert wurde. Gewehre, die in einen »verbotenen« Bundesstaat gingen, wurden demnach pro forma auf dem Papier in eine genehmigte Region geliefert.

Ohnehin scheint die Kontrolle des Endverbleibs, der in den deutschen Exportrichtlinien große Bedeutung zugestanden wird, niemanden zu interessieren. Auch das Bafa wollte offenbar nicht wissen, wo die ausgeführten Waffen landen. Die vom Käufer unterschriebene Erklärung reiche den deutschen Behörden aus, bestätigte der Jurist. Es ist schwer nachzuvollziehen, warum angesichts solchen Desinteresses überhaupt Endverbleibserklärungen eingefordert und Menschenrechtsklauseln aufgestellt werden. Zumal in ganz Mexiko viele Polizisten für die Mafia arbeiten und brutal gegen Oppositionelle vorgehen, nicht nur in den vier von der Genehmigung ausgeschlossenen Bundesstaaten. Für die Geschäftsführer von H&K könnten die Exporte jedoch ernsthafte Konsequenzen haben. Mehrfach bestätigte Axel H., dass er eng mit der Betriebsleitung zusammengearbeitet habe. Auch der Arbeitsrichter verwies auf E-Mails, die diesen Verdacht nahelegen. Die Staatsanwältin Claudia Krauth, die für das Stuttgarter Verfahren zuständig ist, stellte klar: »Wir ermitteln gegen zwei plus x Personen.« Der Prozess endete mit dem Vorschlag, sich gütlich zu einigen. Weder Axel H. noch Marianne B. werden sich darauf einlassen, die Verantwortung für den Mexiko-Deal zu übernehmen. Denn das könnte ihnen langjährige Haftstrafen einbringen, sofern ein Strafverfahren eingeleitet wird. Und davon geht man bei H&K aus. »Wir rechnen damit, dass es zur Anklageerhebung kommt«, sagte Unternehmensanwalt Volker Teigelkötter. Die Frage ist: Werden nur die beiden Mitarbeiter oder auch die verantwortlichen Geschäftsführer auf der Anklagebank sitzen?