Heiko Werning erwartet 2014 mit Schrecken

Unerlässliche Unkenrufe

Ziehen Sie sich warm an! 2014 wird ganz, ganz schlimm.

2014 wird ein ganz und gar grauenhaftes Jahr werden, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Zum Amphibium des Jahres wurde, völlig zu Recht und in prophetischer Weitsicht, die Gelbbauchunke ausgerufen. Die wofür berühmt ist? Genau: für Unkenrufe. Um zu sehen, dass sie damit verdammt richtig liegt, muss man noch nicht einmal die Große Koalition bemühen, obwohl sie uns natürlich in diesem Jahr noch erheblich mehr nerven wird als bisher. Allein schon die bevorstehende Witzwelle über eine Frau als Bundesverteidigungsministerin lässt den dringenden Wunsch aufkommen, die weltweite Ächtung von Streubomben kurz auszusetzen und die Dinger flächendeckend über deutschen Comedy-Bühnen und Fernsehstudios zum Einsatz zu bringen. Bei den Europawahlen wird dann nicht nur die FDP exhumiert werden, sondern schlimmer noch die AfD ins Parlament einziehen, weshalb die Leserkommentare von Welt-online zukünftig also in Brüssel verlesen werden.
Bis die Partei sich dann im Lauf der nächsten Zeit endlich selbst zerfleischt haben wird, werden wir deren fiese Mischung aus Wirtschaftsradikalismus, Kleinkariertbürgertum und Islamhass noch monatelang in allen Presseberichten lesen müssen, als wären wir mit dem deutschen Mainstream-Rassismus und -Nationalismus nicht schon genug geschlagen. Der wird sich dann spätestens bei der anstehenden Fußball-WM wieder in ästhetisch beleidigender Weise Bahn brechen mit Schwarz-Rot-Gold-Wimpeln, die uns von jeder denkbaren Verankerung vom Autoseitenspiegel bis zum Schamlippenpiercing entgegenwehen werden. Und ob sich Balotelli noch einmal erbarmt, ist ja vollkommen ungewiss. Gar nicht auszudenken, die deutsche Mannschaft würde das Turnier gewinnen – dann schwappte der nationale Taumel gleich direkt rüber in die allgemeine Selbstbesoffenheit zum anstehenden 25jährigen Mauerfall-Jubiläum.

Joachim Gauck wird dann als erstes geklontes menschenähnliches Wesen in die Geschichte eingehen, das gefühlt jeden Tag mehrfach auf mindestens zwei parallelen Gedenkfeiern die von ihm persönlich herbeigekämpfte Freiheit bejubeln wird. Die Regierenden werden den Fall der Mauer lobpreisen, während sie im Süden Frontex daran arbeiten lassen, die neue Mauer an den Außengrenzen Europas noch mit einigen besonders hübschen Bonus-Todesstreifen zu versehen. Sie werden der Mauertoten gedenken und terminlich davon so beansprucht sein, dass sie wenigstens nicht eigens nach Lampedusa reisen können, um den aktuellen Mauertoten noch verbal ein paar scheinheilige Worte nachzusprechen, nachdem sie ihnen zuvor den letzten Tritt ins Grab verpasst haben. Sie werden die Fluchthelfer von damals für ihren Widerstand gegen das System ehren und dabei jeden Fluchthelfer von heute, den sie versehentlich nicht im Einsatz zur Strecke bringen konnten, als Schlepper in modrige Löcher sperren.
Während uns gleichzeitig jede noch so abgestandene Trantüte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum spätestens am 9. November 1989 abgelaufen war, noch mit ihren fauligen Erinnerungen an Broiler und Nacktbaden belästigen wird. Wir werden also Vera Lengsfeld, Wolfgang Thierse, Kathrin Göring-Eckhardt und all die anderen DDR-Zombies durch die Medien wanken sehen und uns wird noch einmal schmerzlich bewusst, wieso ein Staat, dem es mit seiner angeblich so allmächtigen Sicherheitsbehörde nicht gelungen ist, derartige Figuren in die Bedeutungslosigkeit zu befördern, selbstverständlich scheitern musste.

Gleichzeitig steht zu befürchten, dass Martin Walser und Günter Grass ihre letzte Tinte noch immer nicht verspritzt haben, Jakob Augstein wird neues Unglück entdecken, für das die Juden verantwortlich sind, Harald Martenstein wird weiterhin gut davon leben, das zu sagen, was eh schon alle sagen, und genau das als krasse Außenseiterposition zu bezeichnen. Irgendwelche Irren, die zu Hause noch einen in Alkohol konservierten Wetterfrosch im Keller liegen haben, werden uns erklären, dass es einen Klimawandel gar nicht gebe und falls doch, dass er gar kein Problem darstelle. Alice Schwarzer wird wieder als Feministin bezeichnet werden. Margot Käßmann veröffentlicht noch ein Buch. Mindestens. Til Schweiger, Mario Barth, Maxim Biller und Markus Lanz machen garantiert auch wieder irgendwas. Und am Ende wird, allen hoffnungsvollen Zeichen der Vergangenheit zum Trotz, der Berliner Flughafen doch noch fertig werden und wir dürfen nicht mehr von Tegel fliegen.
Na gut, so weit wird es 2014 dann wohl doch nicht kommen. Aber es ist ja auch kein Trost, zu wissen, dass es danach nur noch schlimmer werden wird.