Frankreichs Intervention in der Zentralafrikanischen Republik

Falsche Freunde

In der Zentralafrikanischen Republik geht der bewaffnete Konflikt ungeachtet des französischen Militäreinsatzes weiter. Die Intervention Frankreichs befördert ungewollt auch die Konfessionalisierung des Konflikts.

Nicht alle Jubiläen werden mit Vergnügen begangen. Am Sonntag lag der Beginn der französischen Militärintervention in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) genau einen Monat zurück, während jener der Intervention in Mali sich an diesem Samstag zum ersten Mal jährt. Der Einsatz in Mali ist nicht zu Ende, dort stehen derzeit 2 500 Soldaten aus Frankreich, im November waren es noch 3 000. Die Vorgänge in Mali beschäf­tigen die französische Öffentlichkeit zurzeit aber nur in geringem Maße und sorgen für wenige Schlagzeilen, anders die Entwicklung in der Zentralafrikanischen Republik. Für die dortige Militärintervention mit dem Namen »Opération Sangaris« sind derzeit 1 600 französische Soldaten im Einsatz, sie begann am 5. Dezember. Auch zu Anfang dieser Woche war das Thema in den französischen Medien sehr präsent, Le Monde und Libération widmeten ihm ihre Titelseiten. Unterdessen verliert Frankreichs Interventionspolitik die Unterstützung der Bevölkerung. Am Sonntag publizierte die Zeitung Sud Ouest eine Umfrage, derzufolge nur noch 41 Prozent der Befragten die Operation unterstützen, zehn Prozentpunkte weniger als im Vormonat.
Derzeit kritisiert die konservative Opposition vor allem die Methoden der Regierung: Sie habe die Intervention schlecht vorbereitet, schlecht erklärt und verfolge kein klares Konzept, monierte etwa die frühere Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie. Ähnliches behauptet ihr Amtsnachfolger Gérard Longuet, der 1973 der Verfasser des ersten Wirtschaftsprogramms des Front National war, bevor er bei den Konservativen landete. Frankreich müsse sich auf einen längerenden Krieg in der ZAR einstellen und wesentlich mehr Truppen entsenden. Dies fordern auch andere, etwa der Militärhistoriker Michel Goya. Er will mindestens 5 000 französische Soldaten allein in Bangui, der Hauptstadt der ZAR, sehen.

Das französische Parlament wird erst im März über die Intervention in der ZAR abstimmen. Die französische Verfassung erlaubt es, die Abgeordneten erst nach vier Monaten über Fortsetzung oder Beendigung eines Auslandseinsatzes der Armee entscheiden zu lassen. Der französische Präsident und Oberbefehlshaber der Streitkräfte, François Hollande, hatte anlässlich seiner Afrika-Reise, die ihn am 10. Dezember zur Trauerfeier für Nelson Mandela nach Soweto führte, in Interviews gesagt, es sei Frankreich eine »Ehre«, in der ZAR eingegriffen zu haben, um den gewalttätigen Konflikt zwischen Milizen und Bevölkerungsgruppen dort zu beenden. Auf der Rückreise von Südafrika machte er in Bangui halt, am Flughafen geriet er in einen Hinterhalt von Milizionären. Ob Hollande dadurch ernsthaft bedroht wurde, blieb in den französischen Medien umstritten.
Die Gewalt in der ZAR ist seit Beginn des Militär­einsatzes jedenfalls nicht unterbrochen worden. Libération vom Montag zufolge hat sie vielmehr »inzwischen sämtliche Stadtviertel von Bangui erfasst«. Eine Million Menschen – ein Fünftel der Bevölkerung – sind inner- oder außerhalb der Landesgrenzen auf der Flucht. Über 100 000 Menschen, zehnmal so viele wie noch Anfang Dezember, befinden sich derzeit allein im Flüchtlingslager am Flughafen der Hauptstadt, Bangui-M’poko.
Hintergrund der wachsenden Gewalt ist die Konfessionalisierung des Konflikts, bei dem sich mittlerweile ganze Bevölkerungsgruppen bekämpfen. Im März 2013 ergriff eine bewaffnete Rebellenkoalition, die Séléka, die Macht. Da sie teilweise jedoch eher aus Banditen als aus politischen Oppositionellen bestand, häuften sich alsbald Plünderungen, Überfälle und Vergewaltigungen. Teile der ländlichen, später auch der städtischen Bevölkerung schlossen sich zu Selbstverteidigungsgruppen gegen die Milizen der ­Séléka zusammen, die unter dem Namen »Antibalaka« zusammengefasst werden – »Gegner mit der Machete«. Kämpfer beider Seiten patrouillieren mit Macheten.

Die Séléka rekrutierte ihre Mitglieder vorwiegend aus muslimischen Bevölkerungsgruppen, die an der Grenze zum Tschad und zum Sudan wohnen. Ohne die Unterstützung der tschadischen Diktatur, der stärksten Militärmacht in der Region, wäre ihr Erfolg undenkbar gewesen. In der Hauptstadt Bangui unterstützten Händler aus Bevölkerungsgruppen, die dort in der Minderheit sind und deswegen bislang von der politischen Macht ausgeschlossen blieben, etwa ethnische Gruppen aus dem Norden, die Séléka finanziell. Angehörige der christlichen und animistischen Bevölkerungsgruppen im Zentrum und im Süden der ZAR entwickelten daraufhin in den vergangenen Monaten oft eine pauschale Feind­seligkeit gegen Muslime, es kam zu Übergriffen auf Zivilisten der jeweils anderen Konfession.
Die Ankunft der französischen Truppen wurde deswegen von einigen Bürgerinnen und Bürgern der ZAR anfänglich begrüßt oder jedenfalls mit Erleichterung aufgenommen. Tatsächlich nahm die Intensität bewaffneter Auseinandersetzungen zunächst ab. Doch dies war nicht von Dauer. Zwar tritt Frankreich formal als neutrale äußere Macht auf, die eingreift, um mit ihrer Armee als einer Art bewaffneter Puffertruppe die verfeindeten Streitparteien zu trennen. An der Staatsspitze Frankreichs hatte man in den vorausgegangenen Monaten die Séléka, als Freund des mit Frankreich verbündeten tschadischen Regimes, eher positiv betrachtet. Dennoch sind viele zentralafrikanische Christen und Animisten der Auffassung, die »christliche Nation« Frankreich komme ihnen als befreundete Macht zu Hilfe. Bei Übergriffen auf Muslime beriefen sich daher mancherorts Angehörige anderer Gruppen, vor allem Christen, darauf, Frankreich stehe doch auf ihrer Seite.

Da viele in die ZAR entsandte französische Soldaten unterdessen in Kontakt mit christlichen Milizen kamen, die sie freundlich aufnahmen, verstärkte dies bei muslimischen Bewohnern den Eindruck, es bestehe eine Komplizenschaft zwischen beiden Seiten. Es waren deswegen Kämpfer der Séléka, die am Flughafen von Bangui François Hollande auflauerten. Das Ziel einer Entwaffnung der Milizen hat die französische Armee ­inzwischen aufgegeben, weil es kaum durchsetzbar erscheint, aber auch, weil entwaffnete Personen riskieren, ihrerseits zum Opfer von Übergriffen zu werden.
Präsident Hollande versuchte, diese Widersprüche aufzulösen, indem er sich nach allen Seiten hin als Vermittler präsentierte. Er verkün­dete bereits am 7. Dezember in einem Interview, Ziel des französischen Eingreifens sei ein Regierungswechsel und die möglichst schnelle Organisation von Wahlen: »Man kann einen Präsidenten, der nichts (gegen die Übergriffe) tun konnte oder gar machen ließ, nicht im Amt lassen. Die Vorstellung ist, so bald wie möglich zu Wahlen zu kommen.« Innerhalb von 18 Monaten, forderte Hollande. Diese Aussage rief jedoch erhebliche Zweifel am Sinn der französischen Intervention hervor. Die französische Regierung wird sich tatsächlich entscheiden müssen, welche der beiden einander ausschließenden Rollen es einnehmen möchte: unabhängiger Streitschlichter oder militärische Macht, die einen Regierungswechsel erzwingen möchte.