Der belgische Fußballclub KAS Eupen

Senegal, Eifel, Katar

Einst war der belgische Zweitligist KAS Eupen eine Dorfmannschaft kurz vor dem Bankrott. Seit eine Stiftung aus Katar den Club 2012 übernommen hat, zieht die mondäne Fußballwelt in Eupen ein.

Ein Freitagabend Ende November. Klirrende Kälte liegt über dem Stadion am Kehrweg. Während sich draußen noch die Fans einsingen, spielen sich im Business-Bereich Szenen ab, die man in Eupen nicht erwartet hätte: Elegant gekleidete VIP-Zuschauer werden am Eingang begrüßt und mit einem Drink empfangen. Aus der Küche werden edle Vorspeisen gereicht. Kein Zweifel, der mondäne Fußball hat Einzug gehalten in Eupen. Und der Erfolg: Die Königliche Allgemeine Sportvereinigung Eupen besiegt an diesem Abend den bisherigen Spitzenreiter aus Westerlo und wird Herbstmeister.
Einiges hat sich geändert, seit der Club im Sommer 2012 von der Aspire Zone Foundation aus Katar übernommen wurde, einer Stiftung, die sich der weltweiten Förderung »sportlicher Exzellenz« verschrieben hat. Mehr als eine halbe Million 13jähriger Nachwuchskicker testet Aspire jährlich, vor allem in Afrika, aber auch in Lateinamerika und Asien. Die 20 besten Spieler erhalten ein Stipendium und werden an den Akademien im Senegal und in Doha ausgebildet, bevor sie im Alter von 18 Jahren für ein Training unter Wettkampfbedingungen nach Eupen kommen. Spieler aus Afrika machen mittlerweile die Hälfte des Kaders aus.
Alassane Diallo kommt aus Mali. Als Profifußballer in Europa zu spielen, war bereits als Junge sein Traum. Wie er Wirklichkeit wurde, daran erinnert sich der 18jährige noch genau. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Talent­scouts aus dem spanischen Fußball: »Die Spanier kamen, in jede Region, in jedes Dorf. Überall gibt es Anlaufpunkte, kleine Turniere, wo man mitspielen kann, das wird vorher angekündigt. Dort wählen sie die besten Spieler aus. Sie dürfen dann zum Finale nach Bamako.« Der Mittelfeldspieler stammt selbst aus der Hauptstadt. Wusste er, dass am Ende dieses Auswahlprogramms eine Karriere in Europa warten würde? »Wenn irgendwelche Spanier kommen und uns scouten«, sagt Diallo trocken, »kann der Weg nur nach Europa führen.«
Generaldirektor der Nachwuchsabteilung ­Aspire Football Dreams ist der Spanier Josep Colomer, einst Leiter des Trainingszentrums des FC Barcelona. Aus Barcelona stammt auch Eupens derzeitiger Coach, Bartolomé Marquez Lopez, der jahrelang beim spanischen Club Espanyol kickte. Schon in Doha trainierte er an der Aspire-Akademie. Gemeinsam mit seinen Talenten und dem restlichen Trainerstab kam er im Sommer 2012 nach Eupen.
Der Mittelfeldspieler Phakamani Mngadi wuchs in Südafrika auf und wurde von seinem heutigen Trainer für die Profikarriere ausgewählt. »Colomer entdeckte mich beim Vorspielen«, erzählt er. Mngadi und drei seiner Freunde wurden zum Finale nach Johannesburg eingeladen. »Dort gab es viele Tests. Sie wollten ihrer Sache sicher sein.«
Nach einer Woche bekam Mngadi die Nachricht, dass er es geschafft hat. Also zog er nach Doha ins luxuriöse Trainingszentrum der Aspire Academy und nach einigen Monaten weiter in den Senegal. Mit den anderen Talenten des Jahrgangs 1994 lebte er im dortigen Ausbildungszentrum in Saly. Schule, Training, Ausgehen am freien Nachmittag, Testspiele gegen die Nachwuchsspieler großer internationaler Clubs, die zu Besuch kommen, und immer wieder Turniere in Europa – das war die Jugend von Mngadi und seinen Teamkollegen. Das verbindet, wen man auch fragt, alle Spieler betonen, man sei hier »wie eine Familie, wie Brüder«.
Eupen soll für die jungen Spieler nun das Sprungbrett zu den ganz großen Clubs Europas werden. Eupen ist Provinz. In dem Eifelstädtchen sprechen die meisten Leute auf der Straße nicht Französisch, sondern Deutsch oder den Eifeler Dialekt. Eupen ist eine Grenzstadt unweit von Aachen. Man mag den rheinischen Karneval und den belgischen König, beim Fußball drückt man den belgischen »Roten Teufeln« die Daumen, im Sommer feiert man das traditionelle Tirolerfest. Und so fanden sich Phakamani, Alassane und die Teamkollegen zum Saisonauftakt dann auch auf der Bühne eines Festzelts umgeben von Besuchern in Dirndl und Lederhose wieder. Die Mannschaftsvorstellung, so hatte es sich die Clubleitung ausgedacht, fand im Rahmen einer Hüttengaudi statt. Für den Sound war DJ Heinz zuständig, eine Band namens »Die lustigen Skilehrer« trat auf. Spätestens da dürfte den Stars von morgen klar geworden sein, dass es bis zu einem Vertrag in die Premier League noch einige Qualen durchzustehen gilt – etwa Trainingseinheiten im Winter, bei denen man, so Mngadi, »seine Füße nicht spürt«.
Eine aufwendige Broschüre mit dem Titel »Aspire Footbal Dreams Developing Champions« erklärt, man wolle jungen Spielern aus Entwicklungsländern die Möglichkeit geben, höchstes internationales Niveau zu erreichen. Außerdem soll die »Fußballentwicklung in Entwicklungländern« unterstützt werden. Das Emirat gefällt sich in der Rolle des Wohltäters und Förderers. Fußballweltstars »made by Aspire« bedeuten zudem einen erheblichen Imagegewinn.
Eigentlich stand am Anfang der Plan, die eigenen Talente zu fördern. Katar investiert seit Jahren erhebliche Summen, um den sportlichen Anschluss an die Weltspitze zu schaffen, vor allem im Fußball. Weil es in dem kleinen Land nur eine geringe Auswahl an Nachwuchsspielern gibt, sollte der Import von ausländischen Talenten das Niveau der Ausbildung heben. Das scheint zu gelingen: Seit dieser Saison spielt mit Stürmer Abdulaziz al-Ansari erstmals ein junger Katari in Eupen. Als die Aspire Zone Foundation damals mit diesen Plänen in Eupen vorstellig wurde, war man skeptisch. Aber das Geld aus Katar wurde gebraucht. Vor eineinhalb Jahren stand der einstige Dorfclub finanziell vor dem Ende. Unruhige Zeiten hatte man hinter sich, einen unerwarteten Aufstieg in die erste Liga, den sofortigen Wiederabstieg, windige Investoren und Spielervermittler, die noch schneller als die Ligenzugehörigkeit des Vereins wechselten. Und jetzt ein Sponsor aus Katar?
Das Misstrauen war erheblich, als die neue Clubleitung an einem warmen Augustnachmittag 2012 vor dem Stadion das neue Team vorstellte. »Erstmal gut, dass es weiter geht«, lautete der Tenor. Doch über den Hintergrund des plötzlichen Geldsegens hatten viele Fans ihre eigene Theorie. »Klar geht es dabei um die WM 2022. Der Scheich will sich ein Nationalteam aufbauen und wird die Spieler zu diesem Zweck einbürgern«, wurde gemutmaßt. Auf zehn Jahre ist die Kooperation angelegt – das konnte doch kein Zufall sein.
Eupens Sportdirektor Christoph Henkel hatte an diesem Tag zum ersten Mal Kontakt mit der skeptischen Bevölkerung und den Fans. Inzwischen, sagt er, wirke sich die Öffentlichkeitsarbeit positiv aus. Nur diesen Verdacht mit der WM 2022, den konnte man nie ganz ausräumen – egal wie oft der Direktor beteuert: »Unser Ziel ist, dass sie in ihren Ländern Nationalspieler werden. Wir haben exzellente Kontakte zu den afrikanischen Verbänden. Ohne deren Zustimmung wäre dieses Projekt nicht möglich. Und die Verbände haben natürlich kein Interesse daran, ihre besten Jugendspieler zu verlieren.«
Tatsächlich ist Katar in kurzer Zeit zu einem Global Player des Fußballs geworden. Verglichen mit dem medienwirksamen Sponsoring des FC Barcelona oder von Paris Saint-Germain ist Eupen ein kaum beachtetes Projekt – aber keineswegs ein unbedeutendes. Zuletzt tat sich die Aspire Academy im Senegal im Juni mit der Lionel Messi Foundation zusammen, um in Afrika gemeinsam die Malaria zu bekämpfen. Und auch in dieser Winterpause werden wieder einige prominente Clubs, darunter Bayern München und Schalke, ihr Trainingscamp am Golf abhalten: in der großzügigen Aspire Academy in Doha.