Ski heil!

Die Schönheit des Tsssscht

Ski oder Snowboard? Es ist eine einfache Wahl zwischen ausgewogener Eleganz und grobschlächtiger Brutalität.

Man muss keinesfalls sportlich sein. Erfahrung im Umgang mit modernem Bergsportgerät ist ebenso wenig Voraussetzung wie das Wissen um dessen Konstruktionsweise. Auch Kenntnisse über die Unterschiede zwischen Pulverschnee, Firnschnee, Sulzschnee und Harsch sind nicht vonnöten. Nein, man muss kein Experte für alpinen Wintersport sein.
Alles, was man benötigt, um den fundamentalen Unterschied zwischen Snowboard und Ski zu erkennen, ist ein sensibles Ohr. Wer am Pistenrand steht, wird ihn hören: Es handelt sich um einen Unterschied zwischen Himmel und Hölle, Feuer und Wasser, Champagner und Lebertran. Es ist der Unterschied zwischen dem schönen »Tsssscht« und dem grässlichen »Grrchp«.
Obwohl der Mund die tatsächlichen Klänge nicht originalgetreu nachahmen kann, dürfte es akustisch empfindsamen Personen sofort aufgefallen sein: Im »Tsss« liegt etwas aufreizend Schneidendes, Brillantes, Präzises. Eingehegt wird diese Schärfe vom warmen Nachklang des dahingleitenden »Scht«, der sich mit der anfänglichen Aggressivität in klanglicher Eleganz und Ausgewogenheit verbindet. Elegant und ausgewogen – so klingt das »Tsssscht«. Es ist die Begleitmusik des Skifahrers, dessen Bewegungsabläufe mit seiner Klangproduktion korrespondieren. Aggressiv und mit großem Körpereinsatz entlockt er mit hoher Geschwindigkeit oder auf schwierigem Gelände seinen Skiern das »Tsss«. Weich gleitend, mit geringer Körperspannung nutzt er in flacherem Terrain den Schwung und lässt das »Scht« erklingen, stets in optimaler Fühlung mit dem kalten Untergrund.

Geradezu grotesk klingt hingegen das, was der Snowboarder hervorbringt. »Grrchp« – das ist die schabende, kratzende, knirschende Begleitkakophonie einer Fortbewegungsart, die mit der Bezeichnung »Snowboardfahren« auf irreführende Weise und beschönigend beschrieben ist. Denn der Snowboarder fährt nicht, er schrammt, schabt und kratzt vielmehr über den Schnee, die Metallkante seines Rutschbrettchens stets so grobschlächtig in die Piste grabend, dass man, würde es sich bei der Oberfläche um die Haut eines lebendigen Wesens handeln, von schwerster Körperverletzung sprechen müsste. So hat das »Grrchp« zugleich den Charakter des grobschlächtig Trägen wie des rücksichtslos Brutalen.
Diese wenig eleganten klanglichen Eigenschaften korrespondieren mit den Verrenkungen des Snowboarders. Meist steht er mit einem Buckel wie ein verschlagener Bergtroll auf seinem Brettchen, um sich in aller Regelmäßigkeit wie ein nasser Sack rücklings in den Schnee fallen zu lassen. Nicht zufällig lernt der angehende Snowboarder zuerst nicht etwa das Fahren, sondern das Fallen. Ohnehin verwendet der Boarder nur sehr geringe Zeit auf den Genuss einer geschwinden Fahrt bergab.
Er hat offensichtlich Besseres zu tun: Gelegentlich ist er dabei zu beobachten, wie er im Schnee wühlt und sich eine kleine Schanze baut, um unter ebenfalls grotesken Verrenkungen einen Luftsprung zu vollführen. Dann muss er sein Brett abschnallen und den Hang wieder hinauflaufen, um erneut über seine Schanze zu springen. Überhaupt läuft der Snowboarder sehr häufig. Denn anders als der Skifahrer, der auch in sehr flachem Gelände mit Doppelstockschub und Schlittschuhschritt vorankommt, steht er dort still und muss mit seinem Brettchen unter dem Arm kleine Wanderungen unternehmen.

Es bleibt also festzuhalten: Der Snowboarder schabt, kratzt, schrammt, buckelt, fällt, wühlt, springt und läuft, dass es nur so ein Elend ist. Der Skifahrer hingegen fährt. Beziehungsweise: Der Skifahrer würde gern fahren. Doch da gibt es den Snowboarder, der nicht nur Geräusche hervorbringt, die auf das Klangempfinden abstoßend wirken – von Ska-Punk und Pop-Punk, dem Lieblingsgedudel der Brettchenfreunde, gar nicht erst zu reden. Nein, er bewegt sich noch dazu so fort, als ginge es darum, sich nicht über die geschwindigkeitsfördernde Oberfläche der Piste tragen zu lassen, sondern diese abzutragen. In den typischen Bögen, in denen er umherkurvt, verwandelt sich das Brett unter seinen Füßen nicht zu einem rasanten Sportgerät, sondern vielmehr zu einem Schneepflug, der sich grobschlächtig und brutal in den Untergrund gräbt und Schnee vor sich herschiebt, der schließlich als unübersehbarer Hügel zurückbleibt. Wo Snowboarder ihr Unwesen treiben, sind die Pisten übersät von diesen Buckeln. Wo morgens schön präparierte Schneeflächen waren, sind mittags Krater- und Hügellandschaften, die jede schöne Skifahrt unmöglich machen. Der Boarderhügel, diese Hinterlassenschaft des Brettchenfreunds, ist der Hundehaufen des alpinen Skisports. Um sie nicht länger erdulden zu müssen, gibt es nur eins: Alle rauf auf die Ski!