Reaktionäre Bewegungen in Frankreich

Vereint im Hass

In Frankreich verbünden sich Abtreibungsgegner, Homophobe, Rechtsextreme und Islamisten bei Aufmärschen gegen die sozialdemokratische Regierung.

Seit Jahresanfang folgt ein Aufmarsch dem anderen. Die Rechte und die extreme Rechte in Frankreich nehmen tageweise die Straße in Beschlag. Dagegen ist die politische Linke weitgehend gelähmt, gespalten zwischen Anhängern der sozialdemokratischen Regierung als »kleinerem Übel« und Verfechtern einer oppositionellen Haltung, die frustriert sind angesichts der offenbar werdenden wirtschaftsliberalen Ausrichtung der Regierung.
Am 19. Januar demonstrierten Zehntausende Abtreibungsgegnerinnen und -gegner in Paris. An ihrem »Marsch für das Leben« nahmen den Veranstaltern zufolge 40 000, der Polizei zufolge 16 000 Menschen teil. Die Demonstration findet zwar jährlich statt, aber in diesem Jahr war sie besonders gut besucht, da an aktuelle Debatten angeknüpft werden konnte. Die Ankündigung, dass in Spanien das Recht auf Abtreibung erheblich eingeschränkt werden soll (Jungle World 3/2014), inspirierte die selbsternannten Lebensschützer. Unter ihnen befanden sich der Europaparlamentsabgeordnete des Front National (FN), Bruno Gollnisch, und die rechte katholische ehemalige Wohnungsbauministerin, Christine Boutin. Auch Luis Peral, ein Senator der spanischen Volkspartei (PP), der den am 20. Dezember vom Ministerrat verabschiedeten Gesetzentwurf zur Einschränkung des Rechts auf Abtreibung mitverfasst hatte, marschierte in Paris in den vordersten Reihen mit.

In Frankreich braucht man sich im Augenblick jedoch keine Sorgen um dieses Recht zu machen, es wurde sogar kürzlich von der regierenden Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen ausgeweitet, zumindest theoretisch. Seit 1975 ist es erlaubt, eine Schwangerschaft innerhalb der ersten drei Monate abzubrechen, wobei das Gesetz präzisierte, dies gelte für Frauen in »Leidsitua­tionen«. Dieser Begriff wird nun aus dem Gesetzestext gestrichen, wobei die Einschränkung in der Praxis bislang kein Hindernis für eine Abtreibung darstellte. Allerdings wird es vielerorts schwerer, Abbrüche vorzunehmen, weil aufgrund der Sparpolitik viele Zentren geschlossen und Krankenhäuser zusammengelegt werden.
Am 26. Januar nahmen Zehntausende Menschen im Rahmen eines »Tags des Zorns« an einem Protestmarsch in Paris teil. Dieses Ereignis bündelte unterschiedliche Kräfte, formal gab es keinen zentralen Veranstalter, sondern lediglich in Initiativen zusammengeschlossene, weitgehend unbekannte Aufrufer. In Wirklichkeit wurde der Marsch hauptsächlich durch die »Identitären« gesteuert, eine außerparlamentarische neofaschistische Bewegung. Gemeinsam war den Teilnehmenden in erster Linie die Forderung nach dem Rücktritt von Präsident François Hollande. Die einen behaupten, Frankreich sei durch die Verabschiedung des Gesetzes zur Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe in eine »sozialistische Diktatur« überführt worden, während andere ­einen angeblich »linken« Präsidenten grundsätzlich für illegitim halten. »Hollande-Rücktritt« war denn auch die wichtigste Internetadresse, unter der Informationen zu dem Aufmarsch zu finden waren. An ihm nahmen laut Veranstalter 120 000, der Polizei zufolge 17 000 Menschen teil. Tatsächlich waren es wohl zwischen 20 000 und 40 000.

Erstaunlich war, welche auf den ersten Blick unterschiedlichen Kräfte dabei zusammenfanden. Hauptberufliche Muslimhasser wie die Mitglieder der faschistoiden Publikation »Riposte Laïque« (»Gegenschlag der Säkularisten«) oder des »Komitee Lepante« – nach dem Ort einer Seeschlacht zwischen der christlichen »Heiligen Liga« und den Osmanen im Jahr 1571 benannt – demons­trierten zusammen mit Islamisten und Antisemiten, unter ihnen die Anhänger von Dieudonné M’bala M’bala, der selbst verhindert war. Persönlich nahm hingegen dessen engster politischer Kumpan Alain Soral teil, der vor kurzem in einem Buch mitgeteilt hatte: »Ich bin nicht rechtsex­trem, ich bin französischer Nationalsozialist«, und mit einer Mischung aus Antisemitismus und Demagogie bisweilen auch ethnische Minderheiten in Frankreich umgarnt. Offen wie noch nie seit 1945 wurden aus einzelnen Demonstrationsblöcken Slogans gerufen wie »Jude, Frankreich gehört dir nicht« und, gegen die Bereitschaftspolizei Compagnies Républicaines de Sécurité (CRS) gerichtet: »CRS, Polizei der Juden«. Im Anschluss an die Demonstration verkündete die Sprecherin des fanatischen Flügels der Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe, Béatrice Bourges, von diesem Tag an trete sie in den Hungerstreik, bis ein Absetzungsverfahren gegen Präsident Hollande eingeleitet werde.
Am Sonntag waren es alte Bekannte, die aufmarschierten, um erneut gegen die »Familienphobie« der Regierung und gegen das seit acht Monaten geltende Gesetz für die gleichgeschlechtliche Ehe für homosexuelle Paare zu demons­trieren. Mit dabei waren die Anhänger von Bourges, die Abgeordnete des FN, Marion Maréchal-Le Pen, Boutin und viele andere. 80 000 Menschen waren es der Polizei zufolge in Paris, 500 000 nach Angaben der Veranstalter. In Lyon waren es zwischen 20 000 und 40 000. Die Galionsfigur der Demonstrationen gegen die gleichgeschlechtliche Ehe vom vergangenen Jahr, Virginie Tellenne alias »Frigide Barjot«, sprach sich explizit gegen eine Teilnahme aus, da die Bewegung zu extreme Züge angenommen habe.