Der chilenische Fußballverein Palestino

Antiisraelische Nummer eins

Der chilenische Erstligaverein Palestino macht mit seinen Trikots Politik – weitgehend ungestraft.

In Form eines Trikotstreits hat der Nahost-Konflikt Einzug in die gerade begonnene chilenische Fußballmeisterschaft gehalten. Der Erstligaverein Club Deportivo Palestino, der einzige Proficlub der palästinensischen Diaspora weltweit, war in dieser Saison auf die Idee gekommen, die alte Umrisskarte Palästinas vor der Gründung des Staates Israels als typisierte »1« auf seinen Spieltrikots zu drucken.
Die jüdische Gemeinde Chiles reagierte empört. Das Trikot bediene antiisraelische Ressentiments und ignoriere die durch die Vereinten Nationen festgelegten heutigen nationalen Grenzen, hieß es in einer Erklärung, man fordere den Ausschluss des Clubs aus dem chilenischen Fußballverband ANFP. Außerdem behalte man sich vor, den Fall vor den Weltverband Fifa zu bringen. »Es ist verboten, den Fußball als Plattform für politische Statements und die Verbreitung von Lügen zu nutzen oder mit so etwas den Konflikt im Nahen Osten anzuheizen«, begründete der Präsident der Jüdischen Gemeinde in Chile, Gerardo Gorodischer, Anfang Januar die Forderungen. »Wir erwarten die Sanktion des Club Palestino durch den ANFP gemäß den Regularien der Fifa.«
Die palästinensische Föderation Chiles erklärte dagegen in einer Stellungsnahme, man bedauere »außerordentlich, dass die chilenischen Zionisten vorhaben, den Nahost-Konflikt in unser Land zu tragen, indem sie versuchen, die Geschichte und den fundamentalen Beitrag des Clubs für das Land zu schmälern«. Weiter hieß es: »Wir lehnen die Heuchelei derjenigen ab, die ein Problem mit dieser Landkarte haben.« Mit rund 400 000 Menschen bilden die palästinensischen Chilenen eine der größten palästinensischen Exilgemeinden außerhalb des Nahen Ostens. Seit 1912 – Palästina stand damals noch unter osmanischer Herrschaft – waren zahlreiche Menschen aus dem Nahen Osten in das südamerikanische Land geflüchtet. 1920 gründeten sie unter dem Namen Club Deportivo Palestino in Santiago de Chile einen eigenen Fußballverein, der 1952 zum Proficlub wurde – und aufgrund immenser Investitionen seither auch den Spitznamen »millionario« (Millionärsclub) trägt. Drei Jahre später, 1955, gewann CD Palestino zum ersten Mal die chilenische Fußballmeisterschaft. Ein weiterer Meistertitel folgte 1978, zudem wurde der Verein 1975 und 1977 Pokalsieger. Unter den ehemaligen Trainern des Clubs befindet sich Manuel Pellegrini, der später Real Madrid coachte und heute Tainer von Manchester City ist. Derzeit spielt Palestinos im Mittelfeld der ersten Liga, mit bescheidenem Budget und bescheidenem Erfolg.
Freundschaftsspiele sind für den Verein auch politische Statements – der Club bestritt zahlreiche Friendlys in den unter palästinensischer Verwaltung stehenden Gebieten; viele seiner Spieler sind für die Auswahl Palästinas aufgelaufen, seit das Nationalteam 1998 offiziell von der Fifa anerkannt wurde. 2011 erkannte die chilenische Regierung zudem offiziell die Unabhängigkeit des Staates Palästina an. In der Trikotfrage kann laut den Statuten der chilenische Fußballverband ANFP nur auf Beschwerde eines anderen Clubs aktiv werden. Diese reichte schließlich Ñublense de Chillán, ein kleiner Verein aus dem Süden Chiles, ein, der ebenfalls in der ersten Liga spielt. Dessen Präsident, Patrick Kiblisky, ist eng mit der Jüdischen Gemeinde des Landes verbunden. Ñublense beklagte, dass Palestino die gemeinsame Grundlage der Liga verletze, indem es statt der Nummer »1« auf seinen Trikots die palästinensische Landkarte verwende und damit Bezug auf politische Themen nehme, »da die Karte ein Symbol für das palästinensische Volk ist und den aktuellen Staat Israel nicht berücksichtigt. Allein diese beiden Umstände machen aus der Verwendung der Karte ein politisches Thema.« Entsprechend verlange Ñublense ökonomische Sanktionen gegen Palestino. Zuvor hatte bereits das israelische Außenministerium in Tel Aviv den chilenischen Botschafter in Israel, Óscar Alcamán, einbestellt, um sein Erstaunen und seine Besorgnis über die Verwendung der Karte auszudrücken. Alcamán wurde aufgefordert, antiisraelische Provokationen zu unterbinden. CD Palestino wiederum behauptete, keinerlei Regularien der ANFP zu verletzen und die umstrittene Karte bereits zwischen 2000 und 2002 – folgenlos – auf den Vereinstrikots verwendet zu haben.
Mittlerweile hat der chilenische Verband reagiert. Ein Ausschuss unter dem Vorsitz von Verbandspräsident Sergio Jadue, seines Zeichens selbst Anwalt mit palästinensischer Herkunft, verbot die Trikots und verurteilte den Club zu einer Geldstrafe von umgerechnet rund 960 Euro. Man sei gegen jede Form der Diskriminierung, erklärte die ANFP in einer Stellungnahme dazu. Dabei wurden die Jerseys aus rein formalen Gründen verboten: Die während der ersten drei Spieltage auf den Jerseys verwendete Umrisskarte hatte schlicht die für die Trikotnummern erlaubte Größe überschritten. Palestinos Präsident Fernando Aguad erklärte daraufhin, in Zukunft auf die umstrittenen Nummern zu verzichten, behielt sich aber vor, die Karte anderswo auf der Spielkleidung zu verwenden, denn die Entscheidung des Sportgerichts besage schließlich nicht, dass das Symbol generell verboten sei. Seitdem spielt der Verein in einem veränderten Trikot, das nun die umstrittene Umrisskarte auf der Brust trägt, wo bei vielen Vereinen der Name eines Trikotsponsors prangt.
Die israelische Botschaft in Chile teilte mit, die Entscheidung, die Karte weiterhin auf dem Trikot zu verwenden, sei »ein politisches Zeichen, das die Existenz des Staates Israel zu negieren sucht«, dies sei eine klare Provokation. Zudem sagte die israelische Gesandte, dass es sich nicht allein um die historische Karte Palästinas handele, sondern um das Emblem der Befreiungsorganisation PLO. So gesehen wird – apropos Trikotsponsor – eine runde Sache daraus, denn der Verein wird exklusiv von der Bank of Palestine, dem zweitgrößten privaten Arbeitgeber im Westjordanland und dem Gaza-Streifen, gesponsert. Das Geldinstitut ist eng mit der Autonomiebehörde verbunden.
Der Konflikt um die Trikots spiegelt sich auch auf den Stadionrängen. Am zweiten Spieltag, als Palestino auf den populären Club Universidad de Chile traf, waren unter den Anhängern der Universitätsmannschaft Spruchbänder zu sehen, die Partei für die Sache CD Palestinos ergriffen, darunter ein Banner mit den Worten »Palestina Libre« (Freies Palästina) über einem rot durchgestrichenen blauen Davidstern. Laut einer Erklärung des CD Palestino war sogar ein Hakenkreuz im Stadion zu sehen. Der Verein verurteilte die Verwendung der genannten Symbole, sie dienten nur dazu, Hass und Gewalt zu schüren. Man setze sich vielmehr für »Frieden und Völkerverständigung durch den Sport« ein, hieß es weiter.
Die derzeitige Debatte ist übrigens nicht die erste um Trikots im chilenischen Fußball. Auch die Jerseys des Clubs der spanischen Gemeinde, Unión Española, sind umstritten: Auf den roten Jerseys des Vereins ist der Adler von San Juan, die Standarte der Franco-Diktatur, zu sehen. Weder die spanische Kolonie in Chile noch der Club noch die Fifa schritten in dem Fall bisher ein, so dass die Spieler des Clubs den Adler weiterhin auf der Brust tragen.