Schwedische Neonazis auf dem Maidan

Reinfeldts Wut

Schwedische Neonazis bemühen sich aktiv um internationale Vernetzung. Mitglieder der Svenskarnas Parti sind während der Maidan-Proteste in die Ukraine gereist.

Seine Wut zu verbergen, versuchte der liberalkonservative schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt in der kurzfristig angesetzten Pressekonferenz gar nicht erst. Es sei »eine Grenze überschritten worden« und nun stelle sich eine äußerst wichtige Frage, »nämlich die, ob weiter Recht und Gesetz gelten sollen oder ob wir zulassen, dass Gewaltverbrecher und Kriminelle das Sagen haben«.
Was Reinfeldt derart erbost hatte, war ein Trainerrücktritt gewesen: Magnus Pehrsson, Chefcoach des Fußball-Erstligisten Djurgarden Stockholm, hatte nach zahlreichen Drohungen von Hooligans überraschend seinen Job aufgegeben. Nachdem am 8. März bei einem Überfall von Neonazis auf eine feministische Demonstration zum Weltfrauentag in Malmö der bekannte linke Ultra Showan Shattak lebensgefährlich verletzt worden war sowie fünf weitere Menschen mit teils schweren Stichverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, schwieg Reinfeldt dagegen. Dabei war rasch klar, dass hinter der Messerattacke auf die Malmöer Demonstration organisierte Neonazis steckten.

Die drei Männer, die als Tatverdächtige verhaftet wurden, gehören der Svenskarnas parti an, wie die Partei in einer Pressemeldung mitteilte. Die »Partei der Schweden« war im Jahr 2008 zunächst unter der Bezeichnung Folkfronten gegründet worden, nachdem die Neonazi-Partei Nationalsocialistisk Front (NSF) sich nach zahlreichen Verhaftungen von Mitgliedern aufgelöst hatte und eine neue politische Organisation benötigt wurde. 2009 benannte man sich um, weil sich herausgestellt hatte, dass unter dem Namen Folkfronten bereits eine sozialistische Lokalpartei aus Linköping registriert war.
Dass schwedische Neonazis sich aktiv um internationale Vernetzung bemühen, war zuletzt Anfang März deutlich geworden, als ein Reporter der US-Internetzeitung The Daily Beast in einer Reportage vom Maidan über ein Treffen mit »de svenska ukrainafrivilligas« berichtete. Unter diesem Schlagwort war in Schweden wochenlang dafür geworben worden, die »ukrainischen Kameraden« an Ort und Stelle zu unterstützen. Die Revolution in der Ukraine könne beispielhaft werden, denn sie könne »zu einer Gesellschaft ohne das Böse führen, zu einer Gesellschaft ohne Multikulti, Homosexualität und missbräuchlichem Bezug staatlicher Hiilfe«, hatte ein Schwede dem US-Reporter erklärt. Es gelte, den Einfluss von »CIA/ZOG« (Zionist Occupied Government) zurückzuschlagen. Besonders viele folgten dem Aufruf wohl nicht – im Interview erklärte einer der »Ukraine-Freiwilligen«, dass man schon sehr stolz sei, wenn man »insgesamt 50 Personen sammeln kann«.

The Daily Beast berichtete jedoch, dass neben der British National Party auch weitere Naziparteien wie die polnische Falange zur Unterstützung »der Kameraden von Swoboda« aufgerufen hatten. Die schwedischen Nazis würden auf dem Maidan wohl kaum detaillierte Anleitungen zum Bombenbauen erhalten, sagte Daniel Poohl, Chefredakteur der antifaschistischen Zeitschrift Expo. Allerdings sei es unklug, die Vernetzungsversuche zu unterschätzen. Denn diejenigen, die aus der Ukraine heimkehrten, seien wahrscheinlich nun voller Selbstvertrauen: »Möglicherweise haben sie sehr viel über politische Strategien und Taktiken gelernt. Und werden dieses neue Wissen natürlich auch zu Hause anwenden.«
Dass Mitglieder der Svenskarnas parti nicht nur als Freiwillige in die Ukraine gereist waren, sondern auch als mögliche Täter von Malmö verhaftet wurden, zeige schon jetzt, dass diese es wie die Vorgängerpartei NSF nicht beim Parolenbrüllen belassen werden, sind sich schwedische Antifa-Gruppen sicher. Auch ein führender Sozialdemokrat teilt diese Ansicht. Morgan Johansson sagte nach dem Mordversuch in Malmö: »Es kann eines Tages auch einen schwedischen Breivik geben.« Reinfeldt dagegen schwieg. Erst nach zwei Tagen gab er nach. Erst auf eine Anfrage der Tageszeitung Expressen antwortete der Ministerpräsident mit einer schriftlichen Stellungnahme, in der es unter anderem hieß, dass Nazivorkommnisse und Rassismus »Schweden beschmutzen«. Extremisten müssten mit Demokratie und Debatten bekämpft werden, heißt es in Reinfeldts Erklärung weiter; wie er sich das vorstellt, sagte er jedoch nicht.
Sich überhaupt zu äußern, fiel dem Ministerpräsidenten übrigens nicht nur Tage zu spät ein: In Stockholm stehen derzeit Neonazis vor Gericht, die am 15. Dezember 2013 eine antirassistische Demonstration überfallen hatten, mit der gegen Hakenkreuzschmierereien im Stadtteil Kärrtorp protestiert werden sollte. Zwei Teilnehmer waren bei dem Angriff verletzt worden – durch Messerstiche.