Rechts, links, Hoeneß

Rote Karte! Platzverweis! Eine Sperre von mehr als drei Jahren! Da half auch anfängliches Leugnen und späteres Bereuen nichts mehr. Für den Schiedsrichter stand fest: Wer derartig über die Stränge schlägt, muss büßen. Selbst wenn der Betreffende Uli Hoeneß heißt, die Fußballweltmacht FC Bayern München verkörpert und überhaupt ein Großkopferter ist. Schließlich hat der Mann wie ein gewöhnlicher Krimineller Steuern hinterzogen.
Ungewöhnlich ist allerdings die Fallhöhe. Hoeneß bewegte sich in Sphären, die Normalsterbliche höchstens vom Hörensagen kennen. Dementsprechend tief fiel der Mann, der sich stets in allen Belangen selbst gefiel. Und das machte die Sache für die Medien so attraktiv. Ein Moralapostel, der sündigt. Ein Besserwisser, der sich eines Besseren belehren lassen muss. Ein Maulheld, der nun kleinlaut zugibt, von ihm lauthals propagierte Maßstäbe geflissentlich ignoriert zu haben. Das sind genau die Geschichten, die das Journalistenherz höher schlagen lassen!
Folglich hat die Branche nicht gekleckert, sondern so richtig geklotzt, und das schon vor dem Urteil. Vorbericht, Liveticker, Videoanalyse, Grafiken, Porträts – Hauptsache viel, Hauptsache auffällig. Okay, das sind die Regeln des Geschäfts. Spannend am Fall Hoeneß war etwas anderes: die Gefechtslage auf dem hart umkämpften Schlachtfeld der Meinungen. Und siehe da, die alten, fast schon vergessenen Beißreflexe scheinen noch prächtig zu funktionieren.
Jene Zeitungen, die sich gemeinhin eher auf der linken Seite des politischen Spektrums verorten (zum Beispiel die Taz und die Frankfurter Rundschau), gingen mit Uli H. ziemlich hart ins Gericht. Zeitweilig hatte man fast den Eindruck, es bräuchte gar keine Justiz mehr, um den ehemaligen Präsidenten der Münchener Bayern zu verurteilen. Frei nach dem etwas aus der Zeit gefallenen Motto: Nieder mit dem Kapitalismus und seinen Repräsentanten.
Jene Zeitungen wiederum, die als traditionell konservativ bezeichnet werden müssen (etwa die Welt), bemühten sich, im Fall Hoeneß den Ball möglichst flach zu halten. Ja, alles nicht schön und wahrlich kein Kavaliersdelikt. Aber, bitteschön, auch kein staatsgefährdender Weltuntergang. Es gab doch eine Selbstanzeige. Und hat der Uli nicht Reue gezeigt? Na also! Dreieinhalb Jahre Gefängnis statt Champions League sind ja auch nicht ge­rade von Pappe, oder?
Uli Hoeneß vor Gericht. Die Medien saßen dabei nicht nur in den Zuschauerreihen, sondern waren Teil der Inszenierung. Irgendwie ist da dramaturgisch etwas schiefgelaufen.